Olympische Spiele 2021 und Antirassismus: Hinknien verboten
Das Internationale Olympische Komitee versteht sich als antirassistisch, will aber weiterhin antirassistischen Protest bestrafen – ein Irrsinn.
Antirassistische Demonstrationen von Sportler:innen bei Olympischen Spielen gehören bestraft. Das ist weiterhin die Auffassung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), wie der Daily Telegraph am Mittwoch berichtete. Angesichts der zunehmenden, auch von Athlet:innen getragenen Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den USA nach der Ermordung George Floyds verweist das IOC auf seine Verfassung.
Die Regel 50 der olympischen Charta verbietet politische und religiöse Propaganda an den Sportstätten und würde auch bei den Sommerspielen nächstes Jahr in Tokio zur Anwendung kommen. Man hält also an einer alten Tradition fest. Schon bei den Spielen 1968 in Mexico City wurde der ikonografische Protest gegen Rassismus bei der Siegerehrung des 200-Meter-Laufs abgestraft. Die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos senkten beim Abspielen der US-Hymne die Köpfe und reckten die Fäuste und wurden deshalb von den Spielen ausgeschlossen. Der damalige IOC-Chef, Avery Brundage, stufte das Verhalten als eine „üble Demonstration gegen die amerikanische Flagge durch N***r“ ein.
Nach Regel 3 der IOC-Charta hätte damals eigentlich der IOC-Chef ausgeschlossen werden müssen: „Jede Form der Diskriminierung eines Landes oder einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder aus politischen und sonstigen Gründen ist mit der Zugehörigkeit zur olympischen Bewegung unvereinbar.“
Antirassismus in seiner Charta zu bekunden und unter Strafe zu stellen – das geht nicht zugleich. Selbst dem einflussreichen Nationalen Olympischen Komitee der USA (USOPC) ist dieser Widerspruch mittlerweile aufgefallen. Am Dienstag kündigte das USOPC an, man werde eine von Athlet:innen geführte Arbeitsgruppe einsetzen und die eigenen Regeln infrage stellen.
Es scheint, als ob das IOC sich erneut mit seiner Unbeweglichkeit und seinem Starrsinn blamiert. Zu Beginn der Coronapandemie hielt man zum Unverständnis aller Athlet:Innen ewig am Termin der Sommerspiele in diesem Jahr fest. Damals knickte man erst nach einer Stellungnahme des USOPC ein, als dieses ankündigte, gegebenenfalls kein Team nach Japan zu schicken. Offenkundig muss der Druck auf das IOC aktuell weiter erhöht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja