Olympiabilanz aus chinesischer Sicht: Gemeinsam getrennt
Die politische Führung Chinas ist froh, dass größere Störungen bei den Spielen ausblieben. Die Gräben zum Westen wurden eher vertieft.
Die olympischen Wettbewerbsstätten, angefangen von der Rodelstrecke bis hin zur Abfahrtspiste, sind schließlich nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern haben für den Spitzensport neue Maßstäbe gesetzt. Zudem kann man es generell als eine Errungenschaft werten, dass die – zugegebenermaßen noch sehr zarte – Begeisterung für den Wintersport in einem Land gesät worden ist, in dem knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt.
Doch abseits der Wettbewerbe um Gold haben die Spiele einen fahlen Beigeschmack hinterlassen. Vor allem ist eingetreten, was viele Kritiker befürchtet hatten: Peking 2022 hat die immer tieferen Gräben zwischen China und dem Westen offenbart. „Zusammen für eine gemeinsame Zukunft“ lautet der offizielle Slogan der Veranstaltung. Doch die Realität kam eher dem Gegenteil dieses Wahlspruchs näher.
Die Risse verlaufen vor allem an den politischen Fronten. Dass die chinesische Regierung etwa eine uigurische Langläuferin die olympische Fackel tragen ließ, ohne jedoch im mindesten auf die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang einzugehen, ist ein sprichwörtlicher Mittelfinger gegenüber sämtlichen unterdrückten Minderheiten im Land.
Wie Aussätzige im Mittelalter behandelt
Doch auch beim Umgang mit dem Coronavirus zeigt sich die zunehmende Entfremdung. Während in Europa nach zwei schmerzhaften Jahren mit unzähligen Toten allmählich der „Freedom Day“ bevorsteht, hat die Pandemie in China de facto noch gar nicht begonnen. Mit einer epidemiologisch erfolgreichen Nullltoleranzstrategie wird der Erreger auch weiterhin außerhalb der eigenen Landesgrenzen gehalten. Dementsprechend wurden die ankommenden Olympiateilnehmer wie Aussätzige im Mittelalter behandelt – selbst das Hotelpersonal servierte die abendlichen Cocktails ausschließlich im Schutzanzug, wie er sonst nur auf der Intensivstation getragen wird.
Schon im Vorhinein war klar, dass China – zumindest beim Westen – in Sachen „soft power“ keinen Blumentopf mehr gewinnen wird. Viele Beobachter haben unlängst den Eindruck gewonnen, dass es der chinesischen Führung mittlerweile egal geworden ist, wie sie vom Ausland wahrgenommen wird. Nach dem Motto: Wenn man nicht geliebt wird, solle man zumindest respektiert, und notfalls auch gefürchtet werden.
Doch diese Analyse greift zu kurz. Denn Fakt ist, dass die Trotzhaltung Chinas in einer narzisstischen Kränkung wurzelt. Tatsächlich rief Xi Jinping erst kürzlich seine Propagandamedien dazu auf, das Image des Landes zu verbessern und die „China Story“ im Ausland „besser“ zu erzählen.
Doch sämtliche Versuche, das Image aufzupolieren, sind seither nicht nur gescheitert, vielmehr bewirkte man das glatte Gegenteil. Denn Xi hat unlängst ein System erschaffen, in dem Diplomaten und Journalisten durch aggressive Rhetorik gegenüber dem Ausland und blinder Loyalität gegenüber der Kommunistischen Partei die Karriereleiter erklimmen. Diskussionsbereitschaft oder ausgestreckte Gesprächsangebote stellen vor allem ein Risiko dar, in den eigenen Reihen als Verräter wahrgenommen zu werden.
Wahrscheinlich werden die Winterspiele in wenigen Monaten halb vergessen sein. Die Weltgemeinschaft hat schließlich derzeit andere Sorgen. Und in China war die Sportveranstaltung wenig mehr als ein Hintergrundrauschen, dem man wenig Aufmerksamkeit schenkt.
Viele Parteikader dürften dennoch erleichtert sein. Immerhin hat man die Winterspiele ohne große Aufruhr hinter sich bringen können. Mehr wäre wohl ohnehin nicht drin gewesen.
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