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utah und andereOlympia ist mehr

Zum Kreischen

Weil man grad dabei ist, umzuziehen, und das Zimmer kalt ist, in dem der Fernseher steht, und im neuen Zimmer noch kein Anschluss vorliegt, ging die Winterolympiade bislang eher ohne zu grüßen an einem vorbei. Man guckt natürlich, aber eher so sandmännchenhaft vor dem Zubettgehen eine halbe Stunde. Dann gibt es meist Eishockey. Eishockey erinnert an das Leben. Aufgeregt rasseln die Schränke aneinander und holen sich blutige Nasen, und das, worum’s geht, der Puck also, ist nicht wirklich gut zu erkennen. Laienhaft findet man es seltsam, dass nicht aus Gründen besserer Sichtbarkeit und Telekompatibilität, wie im Tischtennis, das Spielgerät vergrößert und verlangsamt wurde, andererseits ist das natürlich prima, möglicherweise auch ein Akt der Subversion gegenüber dem Abbildungszwang der entmenschten Mediengesellschaft.

Fraueneishockey ist dabei natürlich interessanter, weil das Spiel besser fließt. Die Sprache, die das Fraueneishockey begleitet, wirkt allerdings etwas seltsam. Zum Beispiel: „Kapitänsfrau“ oder „die Finninnen“ (diese anmutige Doppel-n-Dopplung!) oder dass es am siegreichen Ende „ein einziges Kreischfestival“ gewesen sein soll, wie der launige Reporter kommentierte, wohl weil eine 15-Jährige dabei war.

Viele sehen in den Winterspielen nur eine betrübliche Versammlung von Provinzdeppen und Bergidioten in kriminell-polygamem Umfeld, doch Olympia ist mehr. Zum Beispiel Curling. Curling ist super; ein meditativ konzentrierter Sport in einem schön gestalteten Spielfeld, eine übersichtliche Angelegenheit, die sich gegen Globalisierung und Weltbeschleunigung richtet. Curling scheint Geschichte, die man mit interesselosem Wohlgefallen betrachtet, eine runde Sache mit fleißigen Skips, gestohlenen Ends und verbauten Wegen ins Zentrum des Hauses. „Wir senden weiter für Sie, bis der Arzt kommt“, sagte Waldmar Hartmann. Im Abspann wurden Athleten, die sich beim Sporteln ungeschickt angestellt hatten, als „Exoten“ vorgeführt. Als sei es nicht viel exotisch-schräger, sein halbes Leben dem Gewinn einer Winterolympiamedaille unterzuordnen. DETLEF KUHLBRODT

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