Olympia Tag 13 – Die Nacht: Gold für Bolt, Beutegold für Türkiye!
Usain Bolt darf sich über einen unglaublichen Rekord freuen, David Rudisha auf eine Rinderherde, Lippe über eine Bronzemedaille und die Türkei über einen Nürnberger.
Der Wettkampf der Nacht: Ist die nicht-olympische Disziplin Liegestützen. Denn wo andere nach dem Einlauf über die Ziellinie erschöpft zusammensacken, macht Bolt nach seinem Sieg über die 200 Meter fröhlich ein paar Liegestützen, ganz so, als wollte er sagen: War was? Aber ja, es war was, etwas Großes, das er an diesem Abend gleistet hat, und natürlich weiß es Bolt selbst: Er ist der Erste, dem es gelungen ist, das olympische Double über beide Sprintstrecken verteidigen.
Es ist sein Lauf. Wie gehabt kommt er langsamer als die Konkurrenz vom Start, wie gehabt legt er eine wahnsinnige Aufholjagd hin, wie gehabt führt er nach zwei Dritteln deutlich – und wie gehabt hat man am Ende das Geühl, dass er auf den letzten Metern absichtlicht verlangsamen würde. Und natürlich hat er es nicht nötig, mit dem Kopf voraus über die Ziellinie einzulaufen.
Wie schon über die 100 Meter wird sein Landsmann Yohan Blake zweiter, der nur für den Bruchteil einer Sekunde den Eindruck erweckt, als könnte er auf den letzten Meter Bolt noch einholen. Dritter wird der dritte Jamaikaner Warren Weir. Was für ein Triumph für die schnellste Insel der Welt!
Der Athlet der Nacht: Ist nicht Usain Bolt, der von sich am späten Abend behauptet, er sei einer der größten Athleten aller Zeiten. Zur wahren Größe gehört Demut. Nein, der Athlet dieser Nacht ist der Kenianer David Rudisha.
Denn schon vor dem Finale des 800-Meter-Laufes lautete die Frage nicht, wer gewinnen würde, sondern in welcher Zeit er gewinnen würde. Und tatsächlich: Der Weltmeister und Weltrekordhalter Rudisha setzt sich von Beginn an die Spitze und startet etwa 200 Metzer vor der Ziellinie seinen unwiderstehlichen Schlusspurt. 1:40,91 sind es am Ende, eine Zehntelsekunde besser als seine eigene Bestmarke, Weltrekord! Das Rennen um Platz Zwei gewinnt Nijel Amos aus Botswana vor dem erst 17-jährigen Kenianer Timothy Kitum, der neue persönliche Bestzeit läuft. Sieben der acht Athleten laufen mit persönlicher Bestzeit.
Auf Rudisha, dessen Vater 1968 in Mexiko-City Silber mit der 4x400-m-Staffel holte, wartet in Kenia sicherlich ein großes Fest. Nach seinem ersten WM-Titel wurde Rudisha, der auch „The Pride of Africa“ genannt wird, zum Massai-Krieger gekrönt. Damals opferte man eine ganze Rinderherde zu seinen Ehren.
Der Fehlstaat der Nacht: Türkiye! Am 13. Tag gewinnt die Türkei endlich eine Goldmedaille (es ist die zweite überhaupt in London). Der Sieger: der Taekwondo-Kämpfer Servet Tazegül. Der startet zwar für die Türkei, ist aber ein gebürtiger Nürnberger (dessen Freundin Melda Akcan als Ersatzfrau zum deutschen Taekwondo-Team gehört).
Das Finale der Gewichtsklasse bis 68 Kilo gegen den Iraner Mohammad Bagheri beginnt mit vorsichtigem Abtasten. In der zweiten Runde geht der amtierende Weltmeister Tazegül in die Offensive, landet mehrere gute Treffer und beendet die Runde mit 5:3. In der dritten und letzten Runde kommt der Iraner auf 5:6 heran.
Wenige Sekunden vor Schluss unterbricht der Kampfrichter das Geschehen: Hat Tazegül einen unzulässigen Schlag gesetzt und muss mit einem Punktabzug bestraft werden? Kurze Beratung mit dem Assistenten, dann steht fest: Gold für Tazegül! Und, ja: Gold für Türkiye! Aber das ist Beutegold, liebe Türkei-Türken, also nicht zu laut hupen beim Korsofahren.
Die Schlussfolgerung: Usain Bolt ist wirklich schnell. taz-Live-Kommentator Arno Frank verzweifelt bei dem Versuch, Bolts Inszenierung live online zu kommentieren: „Dieser Bolt ist mir immer um eine Nasenlänge voraus.“ Trost: Der Konkurrenz, die am Samstag gegen die 4x100-Meter-Staffel aus Jamaika antreten muss, dürfte es ähnlich gehen.
Wer noch?
Leichtathletik, Speerwerfen (Frauen): Die tschechische Weltrekordhalterin Barbora Spotakova ist die einzige, die an diesem Abend den Speer in Richtung der magischen 70-Meter-Linie wirft. Gold ist ihr sicher. Mit 65,16 Meter holt die Christina Obergföll Silber. Überraschungsdritte wird Linda Stahl mit 64,91 Meter. Es sind die deutschen Leichtathletik-Medaillen Nummer vier und fünf. In Peking hatte Obergföll noch die einzige deutsche Medaille gewonnen. Obergföll ist Badenerin und startet für Offenburg. Stahl ist in Leverkusen aktiv, stammt aber aus Lippe. Für Lippe ist dies die erste olympische Medaille. Wahnsinn!
Leichtathletik, Zehnkampf (Männer): Gold: Ashton Eaton (USA) | Silber: Trey Hardee (USA) | Bronze: Leonel Suárez (Kuba)
Leichtathletik, Dreisprung (Männer): Gold: Christian Taylor (USA) | Silber: Will Claye (USA) | Bronze: Fabrizio Donato (Italien)
Leichtathletik, 800-Meter-Lauf (Männer): Gold: David Rudisha (Kenia) in 1:40,91 Min. (Weltrekord) | Silber: Nijel Amos (Botswana) | Timothy Kitum (Kenia)
Leichtathletik, 200-Meter-Lauf (Männer): Gold: Usain Bolt (Jamaika) | Silber: Yohan Blake (Jamaika) | Bronze: Warren Weir (Jamaika)
Boxen, Fliegengewicht bis 51 Kilo (Frauen): Gold: Nicola Adams (Großbritannien) | Silber: Ren Cancan (China) | Bronze: Mary Kom Hmangte (Indien) und Marlen Esparza (USA). Nicola Adams ist die erste olympische Goldmedaillengewinnerin im Boxen überhaupt.
Boxen, Leichtgewicht bis 55 Kilo (Frauen): Gold: Katie Taylor (Irland) | Silber: Sofia Otschigawa (Russland) | Bronze: Mawsuna Tschorijewa (Tadschikistan) und Adriana Araújo (Brasilien)
Boxen, Mittelgewicht bis 75 Kilo (Frauen): Gold: Claressa Shields (USA) | Silber: Nadesda Torlopowa (Russland) | Bronze: Marina Wolnowa (Kasachstan) und Li Jinzi (China)
Ringen, Freistil, Leichtgewicht bis 55 Kilo (Frauen): Gold: Saori Yoshida (Japan) | Silber: Tonya Verbeek (Kanada) | Bronze: Jackeline Renteria (Kolumbien) und Yuliya Ratkevich (Aserbaidschan). Die indische Ringerin Geeta Phogat verlor im Viertelfinale gegen die spätere Zweite Tonya Verbeek.
Ringen, Freistil, Schwergewicht bis 72 Kilo (Frauen): Gold: Natalia Worobjewa (Russland) | Silber: Stanka Hristowa (Bulgarien) | Bronze: Maider Unda (Spanien) und Gusel Manjurowa (Kasachstan)
Teakwondo bis 57 Kilo (Frauen): Gold: Jade Jones (Großbritannien) | Silber: Hou Yuzhuo (China) | Bronze: Tseng Li-Cheng (Taiwan) und Marlène Harnois (Frankreich)
Teakwondo bis 68 Kilo (Männer): Gold: Servet Tazegül (Türkei) | Silber: Mohammad Bagheri (Iran) | Bronze: Terrence Jennings (USA) und Rohullah Nikpah (Afghanistan)
Kunstspringen, 10 Meter (Frauen): Gold: Chen Ruolin (China) | Silber: Brittany Broben (Australien) | Bronze: Pamg Pandelela-Rinong (Malaysia). Nach ihrem sechsten Platz beim Synchronspringen vom Zehn-Meter-Turm wird Christin Steuer Siebte.
Wasserball (Frauen): Gold: USA | Silber: Spanien | Bronze: Australien (USA – Spanien 8:5 | Australien – Ungarn 13:11)
Fußball (Frauen): Gold: USA | Silber: Japan | Bronze: Kanada (USA – Japan 2:1 | Kanada – Frankreich 1:0)
Beachvolleyball (Männer): Gold: Julius Brink und Jonas Reckermann (Deutschland) | Silber: Emanuel Rego und Alison Cerutti (Brasilien) | Bronze: Martins Plavins und Janis Smedins (Lettland). Brink und Reckermann gewinnen ihr Finale gegen die brasilianischen Weltmeister Rego und Cerutti mit 2:1 (23:21,16:21,16:14). Zum ersten Mal geht eine olympische Goldmedaille im Beachvolleyball nach Europa. Im Spiel um Bronze schlägt das lettische Team die Niederländer Reinder Nummerdor und Richard Schuil mit 2:1 (19:21,21:19,15:11).
Was noch?
Basketball, Halbfinale (Frauen): Australien – USA 73:86 | Russland – Frankreich 64:81. Das Endspiel ist am Samstag.
Handball, Halbfinale (Frauen): Norwegen – Südkorea 31:25 | Spanien – Montenegro 26:27. Das Endspiel ist am Samstag.
Hockey, Halbfinale (Männer): Niederlande – Großbritannien 9:2. Im Finale am Samstag treffen die Niederländer auf die deutsche Mannschaft, die sich am Nachmittag mit 4:2 gegen Australien durchgesetzt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste