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Olympia-KolumneBald auch Demokratie in Bayern!

Kommentar von Thomas Winkler

Die olympische Zensur-Diskussion offenbart den Grundkonflikt der Spiele in Peking: Propaganda gegen Profitmaximierung.

Nur mal angenommen: München erhält den Zuschlag für die Olympischen Winterspiele 2018. Wenige Monate vor der feierlichen Eröffnung organisiert eine bis dahin unbekannte Bewegung "Freiheit für Franken" die Plünderung von Weißwurst-Fabriken in Nürnberg und Bamberg und fordert das Ende der kulturellen Hegemonie Bayerns. Der Fackellauf wird in Schweden und Dänemark von Ausschreitungen begleitet: Neo-Nazis protestieren gegen das Verbot ihrer Internet-Seiten und Zeitschriften in Deutschland. Lautstark fordern sie "Pressefreiheit für alle". In die aufgehitzte Atmosphäre mischt sich das Internationale Olympische Komitee: Mit dem Hinweis darauf, der internationalen Presse sei der Zugang zu allen für die Berichterstattung aus Deutschland relevanten Informationen zugesichert worden, fordert das IOC, dass im Pressezentrum in München Kopien von "Mein Kampf" ausgelegt werden. Die Bundesregierung um Kanzler Tarek Al-Wazir ist empört: Pressefreiheit sei ja prima, aber deshalb könne man ja keine deutschen Gesetze außer Kraft setzen.

Sicher, Vergleiche hinken. Dieser wahrscheinlich ganz besonders. Aber: Vom Standpunkt der chinesischen Führung aus gesehen, sind die Forderungen der internationalen Journaille unverschämt. Die Internet-Seiten von Falun Gong oder von Tibet-Aktivisten propagieren, chinesisches Recht zu brechen. Sie freizuschalten käme der Genehmigung einer Straftat gleich - aus chinesicher Sicht wohlgemerkt.

Dass die neue chinesische Mauer, die im Internet errichtet wurde, recht leicht zu umgehen ist, wie Computer-Fachleute mittlerweile vermelden (s. taz vom 2. 8.), löst das Problem mit den Zensur-Bemühungen der Gastgeber zwar praktisch. Aber der grundsätzliche Konflikt bleibt natürlich bestehen: China versteht die Olympischen Spiele als Propagandaveranstaltung in eigener Sache. Für das IOC ist sein Markenprodukt vor allem eine gigantische Geldmaschine. Die sprudelnden Profite werden allerdings gewohnheitsmäßig mit dem Deckmäntelchen der Völkerverständigung und Demokratisierung getarnt.

Dieses Deckmäntelchen aber wird nun gelüftet. Darunter kommen arrogante Olympia-Funktionäre zum Vorschein, die bei der Vergabe der Spiele an eine weltweit anerkannte Diktatur vor allem an den Reibach dachten, den der riesige Zukunftsmarkt China versprach, aber anschließend behaupteten, Öffnung und Demokratisierung der Volksrepublik befördern zu wollen. Nun aber, da besagte Dikatoren nicht mitspielen wollen, wundert sich das IOC, dass es seine politische Macht anscheinend überschätzt hat, und zieht den Schwanz ein.

Den ersten Preis für so viel gescheiterten Größenwahn bekamen die Herren der Ringe schon im Juni. Da verlieh das Netzwerk Recherche Deutschlands oberstem Sportführer Thomas Bach "Die verschlossene Auster", ihren Preis für Informations-Verhinderung. Derselbe IOC-Vizepräsident Bach rechnet sich übrigens gute Chancen aus, ab 2013 Nachfolger seines Bosses Jacques Rogge und selbst allerwichtigster Olympier zu werden. Nur fünf Jahre später dann vielleicht Olympische Spiele in München - und endlich Demokratie in Bayern.

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