piwik no script img

Olympia EishockeyAhornblätter wollen Lorbeer

Das Team Canada startet gegen Norwegen in die Spiele. Viele Fans interessiert an Olympia einzig das Eishockeyturnier. Und alles andere als Gold käme einer Blamage gleich.

Gold ist das Minimum für Team Canada - behaupten zumindest die Fans. Bild: reuters

VANCOUVER taz | Kanadische Eishockey-Nationalspieler sollten sich in diesen olympischen Tagen von Vancouver am besten völlig von der Außenwelt abschirmen. Ansonsten werden sie konfrontiert mit surreal hohen Erwartungen: Dass das Team Canada zu Hause Gold holt, hält die Mehrheit der Landsleute für selbstverständlich.

Die Frage der Fragen vor dem Turnierauftakt der Ahornblätter gegen Norwegen (Mi, 1.30 Uhr MEZ) lautet nur, welche Mannschaft im Finale besiegt wird. Schweden, Finnen, Russen? Pah! Kanada ist das Mutterland des Eishockey und deshalb der Natur gewollte Gewinner der kanadischen Spiele. Steve Yzerman, der smarte Direktor des Team Canada, versucht den Erwartungsdruck mit einem recht simplen Trick ein wenig zu lindern. "Die Russen sind Favorit", sagt der 44-Jährige. "In Moskau wird es sicher keine Parade geben, wenn sie Silber gewinnen." Aber natürlich weiß auch Yzerman, dass Kanada Gold holen muss. Und nur Gold. Karten für das Finale werden auf dem Schwarzmarkt bereits zu horrenden Preis gehandelt.

Auf Rosen gebettet werden die kanadischen Träger dieser nationalen Aufgabe trotzdem nicht. Beklagte sich der deutsche Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp vor den Spielen noch darüber, dass er mit seiner Mannschaft nur ein Vorbereitungsspiel habe bestreiten können, so muss man aus kanadischer Sicht sagen: Schöner Luxus! Die kanadischen Cracks mussten fast alle noch am Wochenende der Olympia-Eröffnung zwei Partien in der National Hockey League bestreiten. Erst am Montag hatte Yzerman den größten Teil der Mannschaft zum ersten Training zusammen.

Wer der Star der Spiele werden soll, ist klar: Die Kanadier erwarten Glanztaten und viele Tore von ihrem Wunderknaben Sidney Crosby, der im vergangenen Jahr mit Pittsburgh den Stanley Cup gewann. 2006 in Turin, wo sich ein sehr arrogantes kanadisches Team mit Platz sieben fürchterlich blamierte, wurde "Sid the Kid" vom damaligen Teammanager Wayne Gretzky nicht berücksichtigt. Inzwischen ist die Mannschaft jünger als vor vier Jahren - 12 der 23 Profis sind nicht älter als 25 Jahre - angereichert mit ein paar alten Kämpfern wie Chris Pronger (35).

Sehr froh sind die Kanadier darüber, dass in Vancouver - anders als 2006 in Turin - auf der kleinen nordamerikanischen Eisfläche gespielt wird, an die die NHL-Profis gewöhnt sind. Was den Nordamerikanern jedoch grundsätzlich Probleme bereitet, ist der olympische Turniermodus: Nach der Vorrunde wird vom Viertelfinale an im K.o-System gespielt.

Dass, wer nur ein Spiel verliert, sofort rausfliegt, passt überhaupt nicht in die kanadische Denkweise. Denn von Jugendzeiten an werden in Nordamerika Sieger und Verlierer in Serien ausgespielt. "Eine schlechte Aufstellung, ein Fehler bei der Wahl des Starttorhüters, und schon kann ein Spiel verloren sein, bevor das erste Drittel vorbei ist", warnt die kanadische Tageszeitung The Globe and Mail auf ihren täglichen Sonderseiten zum Eishockeyturnier.

In nur einer Begegnung wird sich somit entscheiden, ob die Spiele von Vancouver als triumphales Ereignis in die kanadische Geschichte eingehen, wie etwa Olympia 2002 in Salt Lake City, wo Kanada im Finale gegen die USA Gold gewann. Oder als eine Schmach, wie die Winterspiele von Turin, als man im Viertelfinale 0:2 gegen Russland verlor.

Überhaupt können die übrigen kanadischen Athleten abräumen, wie sie wollen, all diese Erfolge wären höchstens noch die Hälfte wert, falls das Eishockeyteam versagt. Denn die Wahrheit ist: Die Winterspiele sind für die Kanadier nichts anderes als ein großes Eishockeyturnier mit buntem Rahmenprogramm.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!