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Olympia 1908 in LondonDas kurze Leben des Läufers

John B. Taylor gewinnt bei den Spielen 1908 Gold mit der US-Staffel. Er ist der erste Afroamerikaner, der bei Olympia ganz oben auf dem Podest steht.

John Baxter Taylor, Goldmedaillengewinner in der Olympischen Staffel 1908 Foto: upenn/wiki commons

J ohn Taylor hat sich nicht nur als Athlet einen Namen gemacht. Er war unaufdringlich, freundlich und leichtfüßig, ein Leuchtfeuer seiner Rasse. Seine Leistungen werden niemals schwinden“, sagte ein Mentor über den ersten afroamerikanischen Goldmedaillengewinner in der Geschichte der Olympischen Spiele, John Baxter Taylor.

Der 1,80 Meter große und 72 Kilogramm schwere Läufer, der das Feld über 400 Meter beziehungsweise eine Viertelmeile (402,3 m) in langen Schritten von hinten aufzurollen pflegte, gewann die prestigeträchtige Plakette 1908 bei den Sommerspielen in London – in der sogenannten Olympischen Staffel.

Die würdigenden Worte wurden an Taylors Grab gesprochen, nur wenige Monate nach seinem größten Erfolg. Der noch junge Athlet, er war gerade einmal 26 Jahre alt, starb in Philadelphia an Typhus. „Colored Runner Dies“, vermeldete The Salt Lake Herald, „Negro Runner Dead“, die New York Daily Tribune. Taylor starb am 2. Dezember 1908 in seiner Wohnung in der 3223 Woodland Avenue.

Taylor war gleichzeitig der erste schwarze Sportler, der im Trikot des US-Teams an Olympischen Spielen teilnahm. Vier Jahre vor ihm war etwa George Coleman Poage als schwarzer Athlet bei den Spielen von St. Louis an den Start gegangen, allerdings trug er das Leibchen seiner Universität. Poage, Sohn eines Holzfällers, gewann jeweils die Bronzemedaille über 200 Meter und 400 Meter Hürden.

Er war im Jahr 1899 der erste schwarze Amerikaner, der an der LaCross High School eingeschrieben wurde, danach nahm er ein Studium an der Universität von Wisconsin auf. Der erste schwarze Olympionike war übrigens der Franzose Albert Henriquez de Zubiera, der 1900 in Paris die Goldmedaille mit seinem Rugby­team gewann sowie Silber im Tauziehen.

Skandalrennen über 400 Meter

Aber zurück zu John Baxter Taylor: Er wollte 1908 auch im Einzel Gold gewinnen, denn seit vielen Monaten war er einer der besten US-Läufer auf der Stadionrunde. Zeiten etwas über 49 Sekunden waren keine Seltenheit mehr für den Mann, der die Central High School in Philadelphia besucht hatte und nun eine Karriere als Veterinärmediziner an der Universität von Pennsylvania anstrebte. Doch das Wetter in London machte ihm zu schaffen. Er erkältete sich wohl. Seine Form litt, sodass seine (weißen) Landsmänner Carpenter, Robbins, Prout, Merriam oder Ramey berufener schienen, das Siegerpodest zu besteigen.

Das 400-Meter-Rennen endete jedoch skandalträchtig. Vier Athleten hatten das Finale erreicht: Taylor, Carpenter, Robbins – und der Engländer Wyndham Halswelle. Carpenter führte bis zur Zielgeraden, scherte dann aber nach außen aus und blockierte den favorisierten Wyndham Halswelle.

Die Kampfrichter reagierten sofort. Sie entfernten das Zielband und annullierten das Rennen. Das US-Team protestierte geschlossen gegen das Vorgehen. Zum Wiederholungsrennen trat kein US-Boy an, natürlich auch John B. Taylor nicht. Also lief der Brite Halswelle ein einsames Rennen gegen die Uhr. Er siegte in 50 Sekunden glatt, Silber und Bronze wurden nicht vergeben.

Aber Taylors großer Tag sollte ja noch kommen. Die Olympische Staffel (200 m, 200 m, 400 m, 800 m) gewann Team USA in 3:29,4 Minuten deutlich vor Deutschland und Ungarn. Taylor erledigte den Part über 400 Meter in 49,8 Sekunden, seine Landsmänner Nathaniel J. Cartmell, Mel Sheppard und William F. Hamilton besorgten den Rest.

Seine Karriere endete jäh. John Baxter Taylor wurde auf dem Eden-Friedhof in Collingdale, Pennsylvania beigesetzt. In einem Nachruf nannte ihn die New York Times seinerzeit den größten „Negro Runner“ der Welt. Heute, 115 Jahre später, dominieren schwarze Sportler die Stadionrunde nach Belieben.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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