Oligarchie in Ungarn: Regime und Familienunternehmen
Ungarn ist ein postkommunistischer Mafiastaat, den Clan-Loyalität statt Ideologie zusammenhält. So ein System kann sehr effektiv sein – aber auch besonders fragil.
![Menschen unterschiedlichsten Alters mit ernsthaften Gesichtern stehen auf einer Demonstration in Budapest Menschen unterschiedlichsten Alters mit ernsthaften Gesichtern stehen auf einer Demonstration in Budapest](https://taz.de/picture/6838719/14/34682575-1.jpeg)
Ich will nicht, dass Ungarn ein Familienunternehmen wird“, sagte Péter Magyar, ein einflussreicher ungarischer Jurist, der bis vor Kurzem zu den innersten Machtzirkeln der Macht in Budapest gehört hatte.
Er trat aber von all seinen Posten zurück, nachdem die Staatspräsidentin Katalin Novák ihren Rücktritt wegen des Skandals um die Begnadigung eines Mittäters in einem Kindermissbrauchsfall bekannt gegeben hatte. Auch die frühere Justizministerin, Judit Varga, die mit Péter Magyar verheiratet war, musste sich aus der Politik zurückziehen, obwohl sie als sichere Spitzenkandidatin der Regierungspartei Fidesz für die kommenden Europaparlamentswahlen galt.
Der ganze Skandal wird freilich nicht zum sofortigen Sturz des Regimes führen. Péter Magyar sprach aber etwas an, was das Wesen des Regimes betrifft: Eine mafiaartige Clique bemächtigte sich des ganzen Landes. Ungarn ist im wahrsten Sinne des Wortes keine „Rule of Law“, sondern eine „Rule of Man“, nämlich die formalrechtlich abgesicherte Herrschaft eines einzigen Mannes.
Ungarn lässt sich in diesem Sinne als ein „postkommunistischer Mafiastaat“ beschreiben, wie die These von zwei ungarischen Soziologen, Bálint Magyar und Bálint Madlovics, lautet. Ein „Mafiastaat“ ist nicht ein Staat, wo die Mafia versucht, den Staat zu unterwandern. Ein „Mafiastaat“ ist vielmehr ein Staat, wo die Mafia selbst zum Staat wird, wo das Recht für kriminelle Zwecke gesetzt und angewendet wird.
ist promovierter Jurist und Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa in Wien.
In einem „Mafiastaat“ gibt es keinen Konkurrenzkampf zwischen unterschiedlichen Oligarchen. Alles ist einem einzigen kriminellen Machtzentrum unterworfen. Ein solches System funktioniert „feudalistisch“: Der „Herr“ steht an dessen Spitze, auch die „Oligarchen“ erhalten ihr Vermögen von ihm. Nicht eine Ideologie, sondern die Clan-Loyalität hält das System zusammen.
Ein solches System kann zwar sehr effektiv sein. Aber es kann auch sehr rasch zerfallen, wenn diejenigen, die an der Macht sitzen, die Loyalität aufkündigen und ihre Angst überwinden.
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