Olaf Scholz trifft Anja Hajduk: "Rot-Grün erst erkämpfen"
Neuauflage wahrscheinlich: Scholz (SPD) und Hajduk (GAL) streiten im überfüllten taz salon über den Wirtschaftssenator, die Stadtbahn und die Energienetze.
taz: Herr Scholz, die SPD hat die Grünen in Koalitionen jahrelang als Konkurrenten, statt als Partner gesehen. Warum sollte das jetzt anders werden?
Olaf Scholz: Ich habe die rot-grüne Zusammenarbeit im Bundestag und in Hamburg nicht so schlecht in Erinnerung. Die Grünen sind nicht Fleisch aus dem Fleisch der SPD. Die SPD ist allerdings ist auch ein eigenständiges, schon etwas älteres sinnvolles politisches Projekt. Wenn wir um die Unterschiede zwischen beiden Parteien wissen und gleichzeitig auch darum, dass die Schnittmengen beider Parteien im Verhältnis zu allen anderen Parteien am größten sind, dann geht Rot-Grün.
Frau Hajduk, wer vor zwei Jahren mit Hamburger Grünen gesprochen hat, der hat immer wieder gehört: Mit der CDU ist es viel angenehmer als mit der SPD. Gehen Sie davon aus, dass sich das geändert hat?
Hajduk: Die Erwartungen, die SPD und Grüne aneinander haben, sind heute realistischer als bei der ersten rot-grünen Koalition in Hamburg.
Wird die SPD bei allen möglichen Partnern sondieren oder nur mit den Grünen sprechen?
Scholz: Die Hamburger wollen die CDU abwählen und es wäre fatal, wenn diese Partei sich wieder in den Senat mogeln würde. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Wir wollen nicht sondieren, sondern - wenn wir einen Partner für die Regierungsbildung brauchen - mit der GAL darüber verhandeln. Das steht fest.
Olaf Scholz, 52, führte als Hamburger Innensenator Brechmitteleinsätze, als SPD-Generalsekretär die Agenda 2010 und als Bundesarbeitsminister Mindestlöhne ein. Ende Februar möchte er Hamburger Bürgermeister werden.
Anja Hajduk, 47, genehmigte als grüne Stadtentwicklungssenatorin das Kohlekraftwerk Moorburg, scheiterte mit der Etablierung der Stadtbahn und konnte die Elbvertiefung nicht verhindern. Dafür führte sie in Hamburg rote Leihfahrräder ein.
Hängen die Grünen jetzt wieder allein an der roten Schürze?
Hajduk: Es ist die ehrliche Lage, dass wir für diesen Wahltag keine andere Option als Rot-Grün haben.
Herr Scholz hat sich mit dem Handelskammerpräses Frank Horch auf den zukünftigen Wirtschaftssenator festgelegt und damit die GAL brüskiert.
Hajduk: Man sieht an diesem Vorgehen, wo der Unterschied liegt. Herr Scholz hat sich entschieden, als Wirtschaftssenator Herrn Horch vorzuschlagen, ich hingegen glaube, dass die Politik in Hamburg, auch im Bereich Wirtschaft, andere Akzente braucht als Hafen und Handelskammer pur. Es muss möglich sein, nicht nur auf den Hafen fixiert zu regieren, sondern etwa in der Energiepolitik ein deutliches Bekenntnis für die Rückführung der Versorgungsnetze für Strom, Gas und Fernwärme in die öffentliche Hand abzulegen. Herr Horch ist nicht der Erste, der das unterstützt. Es wundert mich aber nicht, dass die SPD Herrn Horch benennt. Herr Scholz zielt noch immer auf die absolute Mehrheit und wir müssen Rot-Grün erst noch erkämpfen.
Herr Scholz, warum belasten Sie Rot-Grün mit so einem Vorpreschen?
Scholz: Für die SPD ist es wichtig, dass die Wirtschaft brummt und viele Arbeitsplätze entstehen. Frank Horch ist genau der Mann, den man als Wirtschaftssenator braucht, weil er viele Branchen gut kennt und auch immer den guten Ruf als ein Sozialpartner gehabt hat. Deshalb haben auch mehrere Gewerkschaften diese Personalie begrüßt.
Wo wir bei Personalien sind: Können Sie den Wählern versprechen, die ganze Legislaturperiode Bürgermeister zu bleiben, oder lockt nicht auch weiter eine Karriere in Berlin?
Scholz: Ich werde - wenn mir die Wähler das Mandat erteilen - für vier Jahre bleiben. Es geht nicht nur darum eine Wahl zu gewinnen, sondern es dann so gut zu machen, dass die Bürgerinnen und Bürger nach vier Jahren sagen: Das wollen wir noch ein zweites Mal wagen. Ich würde gerne den Versuch machen, herauszufinden, ob ich dann erneut ein so gutes Votum bekomme, und will mich nicht irgendwann nach Berlin absetzen.
Im vorigen Wahlkampf gab es starke Themen wie "Moorburg verhindern" oder "längeres gemeinsames Lernen". Hat die GAL daraus, dass diese Themen großteils versenkt wurden, gelernt, jetzt einen themenfreien Wahlkampf zu führen?
Hajduk: Unseren Wahlkampf als themenfrei zu bezeichnen, ist intellektuell künstlich tief gelegt. Der von uns angestrebte Rückkauf der Energienetze ist ein mindestens so großes und wichtiges Thema wie Moorburg und eines der entscheidenden Projekte, nicht nur für die sichere energetische Versorgung der Stadt, sondern auch für die wirtschaftliche Dynamik der erneuerbaren Energien sowie die Klimabilanz.
Scholz: Wir sollten die Möglichkeit, strategischen Einfluss auf die Netze zu bekommen, nicht an uns vorbeigehen lassen. Deshalb wollen und werden wir einen strategischen Anteil an diesen Netzen für die öffentliche Hand erwerben.
Hajduk: Mit dem Minderheits-Konzept von Herrn Scholz ist dieser Einfluss der Stadt eben nicht gesichert. Wir haben ja bereits schlechte Erfahrungen gemacht mit der städtischen Restbeteiligung an den HEW in Höhe von 25, 1 Prozent. Mit diesem Anteil ließen sich wichtige Zukunftsentscheidungen nicht mehr beeinflussen.
Scholz: Die Idee, man müsse unbedingt die Mehrheit an den Netzen haben, ist intellektuell nicht ganz so durchdacht, wie sie daherkommt. Um entscheidenden Einfluss etwa auf einen Weiterverkauf der Netze oder die Einleitung regenerativer Energien zu haben, genügt eine 25-prozentige Sperrminorität. Wir sprechen hier über ein Milliarden-Investment, für das wir Zinsen zahlen müssen. Das darf nicht so ausgehen, dass nachher die Verbraucher höhere Gebühren zahlen oder gar ein Haushaltsloch entsteht.
Hajduk: Öffentliches Geld aufzuwenden, dafür aber keinen weitreichenden gestalterischen Einfluss zu erhalten, ist ein falscher Ansatz. Wir haben die Chance, mit den Netzen eine vernünftige Rendite zu erzielen. Und was den angeblich themenfreien Wahlkampf betrifft: Wir stehen weiterhin für die Einführung der Stadtbahn. Der Nahverkehr muss in zwanzig oder dreißig Jahren gut sein, weil wir heute Weiterentwicklungen angepackt haben. Da bedaure ich sehr, dass Herrn Scholz der Mut verlassen hat.
Scholz: Sie dürfen bei aller Begeisterung für die Stadtbahn nicht übersehen, dass über 60 Prozent der HamburgerInnen dagegen und in dieser Meinung auch sehr festgelegt sind. Da kann man nicht einfach munter weiterplanen und abwarten, ob ein Volksentscheid kommt, der das alles korrigiert. Wir dürfen uns nicht anmaßen, alleine zu wissen was gut ist für Hamburgs Zukunft, während die dumme Mehrheit keine Ahnung hat.
Hajduk: Das hat ja niemand vor. Ich finde das schon etwas frech, mir indirekt einen solchen Vorwurf zu machen. Schon als Senatorin habe ich ein Bürgerforum parallel zum Planfeststellungsverfahren eingesetzt, in dem die Frage, ob wir die Stadtbahn überhaupt wollen, genauso diskutiert wird, wie die Finanzierungs- und die Trassenfrage. Aber der Widerstand, der jetzt in Umfragen gemessen wird, darf nicht dazu führen, dass man bei diesem Projekt gleich ablässt. Sie vertreten zu diesem Projekt gar keine inhaltliche Position mehr.
Scholz: Ich sage nur: Wenn es keine Mehrheit unter den Bürgern für die Stadtbahn gibt, dann kann man sie nicht bauen.
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