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Ohne lästigen Filter

■ Abenteuer (Kunst-)Markt: der „Grand Marché“ in den Deichtorhallen

Ein Markt ist ein Markt. Einem Markte vorzuwerfen, dass alle Beteiligten Geld verdienen wollen, wäre ebenso unsinnig, wie zu beklagen, dass Stiefmütterchen und Strumpfbänder nebeneinander angeboten werden. Doch geht es um einen Kunstmarkt, ist die Sache schon kritischer. Findet der dann noch unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister der Partnerstädte Marseille und Hamburg statt und ist in einem der wichtigsten Ausstellungsorte für zeitgenössische Kunst, den Hamburger Deichtorhallen lokalisiert, werden die Zweifel drängend. Dabei ist die Geschäftsidee des hier nur als Mieter auftretenden französischen Dienstleisters „Grand Marché“ bestechend: Künstler sollen ohne lästige Qualitätsprüfer wie Jurys, Galeristen und Kuratoren ihre Ware ungefiltert an den Endverbraucher bringen können. Und für dieses noch jede Katzenmalerin einladende Konzept hat der bisher in Paris, Brüssel und Berlin schon 25mal tätig gewordene Veranstalter es geschafft, sich für seine erste Hamburger Veranstaltung mit ziemlich allen erreichbaren bunten Federn zu schmücken.

Zweifelsohne ist es jedem Menschen gestattet, Kunst zu machen, ohne sich durch irgendwelche Kriterien davon abbringen zu lassen, und gegen eine Standmiete von 220 Mark pro Quadratmeter zu verkaufen. Etwa 40.000 Künstler gibt es in Deutschland, um die 3.000 allein in Hamburg. Dass nur ganz wenige davon einen Galeristen finden und ein noch kleinerer Teil in größere Ausstellungen kommt, mag bedauerlich sein, geschieht aber nicht gänzlich willkürlich. Beim „Grand Marché“ jedoch gibt es, wie Senatsdirektor Plagemann von der Kulturbehörde gestern zur Eröffnung sagte, „das archaische Abenteuer des direkten Marktes“. Und wer sich durch das wirre Gewusel vollgehängter kleiner Stände durchgucken mag, findet zwischen Seltsamkeiten wie Zimmerspringbrunnen und Schmuck aus fossilem Mammut völlig überraschend die russische Galerie Lisitskaia, die kleinere Arbeiten der kunstgeschichtlich nicht unbedeutenden Kubofuturisten Ljubow Popowa und Pawel Filonow anbietet.

Hajo Schiff

Nördliche Deichtorhalle, tägl. 12 - 22 Uhr, Sonnabend bis 24 Uhr, bis 10. Oktober

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