Ohne Masken in die Schule

Kitas und Grundschulen sollen ab dem 1. März praktisch auf Normalbetrieb umschalten. Zur Kritik einiger Leh­re­r*in­nen und Eltern verweist die Bildungsbehörde auf Leitlinien – doch in denen steht nicht, was Bremen beschlossen hat

Ab März gilt in Grundschulen: Maske ab, Ranzen auf Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Von Lotta Drügemöller

Ab Anfang März sollen nach Beschluss des Bremer Senats vom Dienstag wieder mehr Kinder in den Unterricht und in die Kitas. Für die Pläne gibt es mittlerweile viel Kritik.

Einen Sonderweg fährt Bremen in Bezug auf Schulen schon seit Herbst: Geschlossen waren sie nie, die Aussetzung der Präsenzpflicht hat nur bedeutet, dass Kinder nicht zwingend hingehen mussten. Das soll sich nun ändern: Kinder ab der fünften Klasse werden ab dem 1. März in festen Halbgruppen unterrichtet, für sie gilt zudem eine neue Maskenpflicht.

Praktisch auf Normalbetrieb schaltet aber der Unterricht für alle Jüngeren. In der vollen Klassenstärke sollen Grund­schü­le­r*­in­nen ab März unterrichtet werden, Masken sind für die Kinder dabei nicht vorgesehen.

Ähnliches gilt für Kitas. Die Reduzierung der Sicherheitsmaßnahmen ist dabei besonders abrupt: Aktuell gilt in den Kindertagesstätten noch die vierte und damit höchste Reaktionsstufe, es gibt nur eine Notbetreuung. Eingeführt wurde diese Stufe, nachdem Ende Januar bei einzelnen Erzieher*innen, die aus dem Urlaub zurückgekommen waren, die ansteckendere B.1.1.7-Coronavariante festgestellt worden war.

Mittlerweile sind bundesweit etwa 27 Prozent der Coronafälle auf diese Mutation zurückzuführen. Die Sicherheitsvorkehrungen in den Kitas werden trotzdem direkt auf die zweite Stufe abgesenkt. Es soll dann eingeschränkter Regelbetrieb herrschen, in dem bis zu zwei Kitagruppen zusammen gesteckt werden können.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht die neuen Regeln nicht nur kritisch: „Gut ist, dass das ominöse Konstrukt einer freiwilligen Präsenz ausgesetzt wird“, sagt GEW-Vertreterin Elke Suhr. „Gerade die Kinder, bei denen die Umstände schwierig sind, sind dabei richtig weggebrochen und waren nicht mehr zu erreichen.“ Mit dem neuen Beschluss könne man jetzt endlich fest definieren, wer zur Schule zu gehen hat.

Die Strategie, Grundschulen in voller Stärke zu öffnen, hält sie allerdings für „verantwortungslos“: Zum einen geht es ihr dabei um den Schutz der Lehrer*innen, die nun in vollen Klassenräumen ein größeres Infektionsrisiko hätten. Aber auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht hält sie den Plan für nicht durchdacht: „Es wird dazu führen, dass bei einer Infektion die ganze Klasse in Quarantäne muss.“ Kleine Gruppen hätte man verlässlich bis zu den Osterferien anbieten können. „Jetzt aber haben wir Angst, dass das nicht klappt. Das Ganze wird wieder mehr Chaos auslösen.“

Der Zentrale Elternbeirat hatte sich in den vergangenen Tagen das Öffnungskonzept begrüßt. Doch nicht alle Eltern fühlen sich von dem Gremium gut vertreten. „Die Öffnung jetzt bereitet uns größte Sorgen“, erklärt Frauke B., Lehrerin und Mutter eines Drittklässlers. „Wir haben drei enge Verwandte über 80, wir können uns Corona nicht leisten.“ Auch Tim Hülskamp, Arzt und Vater dreier schulpflichtiger Kinder, findet, dass die Regierung „das Fass jetzt zum Überlaufen bringe“: „Wenn man Kinder schon in die Schule lässt, dann doch unter maximalem Schutz. Eine Maske ist da das Mindeste.“

„Das Ganze wird wieder mehr Chaos auslösen“

Elke Suhr, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Die Bildungssenatorin hat bis Redaktionsschluss nicht auf die Fragen der taz, was sie von der Kritik halte, reagiert. In offiziellen Statements hat die Behörde in den vergangenen Tagen stets auf die S-3-Leitlinien verwiesen.

Dieses Papier stellt mögliche Maßnahmen zur Schulöffnung, jeweils abhängig von der Gefährdungslage und Alter der Kinder, zusammen. Eine Schul­öffnung mit ganzen Klassen sei danach bei niedrigem oder mäßigem Infektionsgeschehen möglich.

Allerdings beschließt nicht die Bremer Bildungssenatorin, wann die Infektionen das zulassen, sondern das Robert-Koch-Institut. Auf dessen Website wird die Gefährdung bei dem momentanen Inzidenzwert von 57 weder als „gering“ noch „mäßig“ oder „hoch“ eingeschätzt – sondern als „sehr hoch“. Auch wenn die Zahlen in den nächsten zwei Wochen weiter absinken könnten, ist es unklar, woher die Bildungssenatorin ihre Einschätzung der Gefahrenlage ab dem 1. März nimmt.

Mitgearbeitet an den Richtlinien hat auch Epidemiologe Hajo Zeeb. Er kann bei den aktuellen Werten nachvollziehen, dass eine Schulöffnung in Betracht gezogen wird. „Überrascht war ich trotzdem. Die Leitlinien sehen eigentlich eine Maskenpflicht für alle vor.“