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■ Ohne Gleichheit der Geschlechter gibt es keine DemokratisierungKein Aufbruch, keine Erneuerung

Überfälliges ist vollbracht – Atomausstieg, Staatsbürgerschaftsrecht, soziale Korrektur, Volksbefragung. Spannend wird die Außenpolitik. Befriedet sind sogar die Frauen. Man kann nicht klagen.

Aufregend waren nur die machtpolitischen Weichenstellungen. Die neue Ära begann mit Lynchen und Terrainkämpfen. Das steht in der Tradition, in der die SPD mit Lafontaines Putsch zum Vorsitzenden und mit Schröders moderner Männereliteseilschaft unter Anrufung des Volkes in die Wahlen geführt worden ist. Es regiert das Prinzip des stärksten Mannes. Zwei Methoden liegen in Konkurrenz zueinander, noch dominiert die althergebrachte. Unter dem Etikett der Frauenförderung unterwirft der Oberste natürlich als erster die Statusschwächeren. Frauen sind deren größte Verschiebemasse.

Es ist die Fortschreibung der Vorgeschichte. Kohls CDU bezog ihre Hegemonie daraus, unter Beihilfe der Opposition die „Frauenfrage“ zu einer herrschaftspolitischen Funktion heruntergefahren zu haben. Der Wahlkampf bestätigte die sogenannte Frauenpolitik als wiederaufgelegte gehobene Nebensache: Männer im Doppelpack; Wahlprogramme ohne neue Generalperspektive, die die Frauenfrage als soziale, Arbeits- und Gesellschaftsfrage versteht; Frauenpolitik auch nicht Topthema, sondern Sonderkapitel. Dem entspricht das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Vier Männer halten die Fäden in der Hand, spiegeln gerade noch ihre historisch überholten Flügel wider. Sie befördern ihre Getreuen auf die Plätze ihres Unterbaus. Erst auf Druck werden auch Frauen versorgt, besser: fürs eigene Spiel instrumentalisiert.

Die Frauen in den Parteien haben diese Lage – Ausnahmen bestätigen die Regel – selbst zu verantworten. Erst als es um die eigene Haut, sprich: Posten ging, fiel ihnen das „Problem“ wieder ein. Die peinliche Quote und der vernachlässigte Frauenrat – Strukturen sei Dank! – waren die Rettungsanker. Ihre neuen inhaltlichen Perspektiven waren längst verschwommen. Politisch angepaßt hatten sie sich von ihren Parteien abhängig gemacht. Anschließend waren sie uneins und schlecht organisiert. Gut, daß die einstigen grünen Avantgardistinnen den Anstoß zur Korrektur gaben.

Das alles ist keine Frage bloß des Stils, sondern vor allem des Inhalts. Die Konservativen mißbrauchten gerade die Lage von Frauen, gesellschaftlich notwendige Arbeit weiter zu privatisieren, die verbliebene bezahlte Arbeit zugunsten der Reichen umzuverteilen und von den Bürgern Unterwerfung unter die als Gemeinwohl deklarierten Interessen der Unternehmer zu erzwingen. Die heimlichen Hauptadressaten ungerechter Sparpolitik oder verschärfter „Innerer Sicherheit“ waren Frauen, denen regelmäßig am Ende viele Männer in die Misere folgen mußten. Eben deshalb hat die CDU ihre weibliche Klientel verloren. Dieser Zusammenhang von Ungleichheit in den gesellschaftlichen Basisbeziehungen und allgemeiner Herrschaft bzw. Demokratieverlust fordert also gerade zu einer anderen Politik heraus.

Von „Aufbruch und Erneuerung“ kann für die erste Runde erwartungsgemäß nicht die Rede sein. Immerhin gibt es zarte Korrekturen: etwas mehr (Re-)Integration von Frauen in den Erwerb, Teilzeit während des Elternurlaubs, etwas Antidiskriminierung für „Randgruppen“, Reduktion des Ehegattensplittings und der ungesicherten Beschäftigung. Wenn daraus eine Weichenstellung für einen neuen Arbeitsbegriff, eine andere Arbeits- und Geld(ver)teilung, eine Grundsicherung und eigenständige bürgerrechtliche Existenzsicherung werden soll, muß viel bewegt werden. Für eine moderne, demokratische, emanzipatorische Hegenomie jedenfalls ist die grundsätzliche Gleichheit der Geschlechter eine Schlüsselfrage. Wirtschaft, Arbeit, Produktivkraft Mensch, soziale Beziehungen, Demokratie – alle zentralen Probleme der europäischen Gesellschaften stehen in unmittelbarem Kontext mit einem veränderten Geschlechterverhältnis. Frauen bilden die Unter(unter)klasse der Schichten, die den rot-grünen Wahlsieg herbeiführten und die neue Männerpolitik sowie eine Umgestaltung aufs Ganze auf die Tagesordnung der Regierungsarbeit stellen. Mechtild Jansen

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