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Ohne „Betriebsblindheit“ für den humanen Knast

■ Justizsenator stellt umstrittenen neuen Strafvollzugs-Chef vor / „Keine Schlappe“

Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) war des Lobes übervoll, als er gestern den neuen Leiter des Strafvollzugsamtes vorstellte. Rolf Gestefeld sei ein „glänzender, scharfsinniger und phantasievoller Jurist“, von dessen „Kreativität“ er „extrem angetan“ und der darüber hinaus ein „kompetenter Verwaltungsbeamter“ mit „inhaltlichen Engagement“ sei.

Die üppigen Vorschußlorbeeren des Senators waren notwendig geworden, um den Nachfolger des im März verstorbenen Diethmar Raben von dem Makel zu befreien, nur eine Notlösung zu sein. Weil der 47jährige Gestefeld keine Erfahrung im Strafvollzug mitbringt, hatten die Deputierten – das parteipolitische Beratungsgremium der Behörde – ihre Zustimmung verweigert. Selbst die Vertreterin der Statt Partei hatte gegen den Wunschkandidaten des von Statt entsandten Justizsenator gestimmt. Gestern ließ Hoffmann-Riem seine einsame Entscheidung vom Senat absegnen.

„Ich sehe das nicht als Schlappe“, wehrte sich Hoffmann-Riem gegen die Schlagzeilen, ohne Unterstützung dazustehen. In Abwesenheit eines „Traumkandidaten“ sei „keine Alternative mehrheitsfähig“ gewesen, wollte auch Statt-Gruppenchef Achim Reichert nichts von einem Dissenz wissen.

Für das Amt des Strafvollzugsleiters, dem zwölf Knäste mit 1900 Bediensteten und 3000 Gefangenen unterstehen, „reicht ein braver Verwalter nicht aus“, so Hoffmann-Riem. Mit Gestefeld habe er sich einen Mann an seine Seite geholt, der für das Grundprinzip des humanen Strafvollzugs stehe und nicht erst „dorthin getragen“ werden müsse.

Gestefeld selbst, der bisher Leiter der Rechtsprüfungsabteilung der Justizbehörde war, sieht den Mangel an Strafvollzugserfahrung keineswegs nur als Nachteil, sondern auch als Chance „nicht betriebsblind“ zu sein. Zwar bewarb sich Gestefeld erst auf Drängen seines Senators, beschrieb die Bürden seines neuen Jobs gestern aber als „ungemein reizvolle Aufgabe“. Er wolle erst einmal mit allen reden, auch mit Gefangenen, und stehe im übrigen für Haftbedingungen, die auf „Resozialisierung zielen“ und „dem Gebot der Humanität“ genügen. Angesichts hanseatischer Geldnot wird er sich allerdings erst einmal mit finanziellen Engpässen herumschlagen müssen. Und: In Sicherheitsfragen wird sich Gestefeld keinen Fehler erlauben dürfen. Eine spektakuläre Flucht könnte sowohl dem knastunerfahrenen Gestefeld als auch dem politisch verantwortlichen Senator teuer zu stehen kommen. Silke Mertins

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