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Offizier verurteilt

In Brasilien wird ein Offizier wegen eines Massakers an Landlosen 1996 zu 228 Jahren Gefängnis verurteilt

PORTO ALEGRE taz ■ Über sechs Jahre nach dem Massaker an 19 Landlosen bei Eldorado dos Carajás ist gestern erstmals einer der Beteiligten schuldig gesprochen worden. In Belém verurteilte ein Geschworenengericht Oberst Mário Pantoja zu 228 Jahren Gefängnis. Pantojas Anwälte werden Berufung einlegen. Da der Oberst nicht vorbestraft ist, bleibt er während des Revisionsverfahrens auf freiem Fuß.

Am 17. April 1996 hatten 1.500 Mitglieder der Landlosenbewegung MST eine Landstraße bei Eldorado dos Carajás im Amazonas-Bundesstaat Pará blockiert, um Verhandlungen mit dem Gouverneur Amir Gabriel zu erzwingen. Doch der, so sagte Pantoja nun aus, habe angeordnet, die Blockade „um jeden Preis“ aufzuheben. Zwei Einheiten der Militärpolizei nahmen die Landlosen in die Zange und beschossen sie von beiden Seiten. Dann transportierten sie 19 Leichen ab. Einige Landlose, so ergab die Autopsie, starben durch Stichwaffen, andere wurden aus nächster Nähe erschossen, also nach der Räumung. Die Tatwaffen tauchten nie mehr auf.

Die Bilder eines Fernsehteams von der Schießerei erschütterten die Nation. Doch im August 1999 wurden Pantoja und zwei weitere Offiziere freigesprochen, denn angeblich habe nicht nachgewiesen werden können, dass die Gewalt von den Militärpolizisten ausgegangen sei.

Wenig später erwirkten die Staatsanwälte die Annulierung des ersten Verfahrens. Nachdem sich endlich eine Richterin dazu bereit erklärt hatte, den Fall zu übernehmen, ging die Farce weiter: Den ersten angesetzten Termin im Juni 2001 ließ Eva do Amaral in letzter Minute platzen. Das wichtigste Beweismittel der Anklage, ein Gutachten der Fernsehaufnahmen, musste sie auf Anweisung ihrer Kollegen erst Anfang April zulassen. Kurz darauf erreichte die MST beim Obersten Gerichtshof in Brasília, dass der Beginn des Verfahrens erneut verschoben wurde – diesmal, damit die angebliche Befangenheit Amarals geprüft werden könne. Erst als in der letzten Woche bekannt wurde, dass die Richterin bereits im letzten Jahr ein Verleumdungsverfahren gegen den MST-Anwalt Carlos Guedes angestrengt hatte, musste sie zurücktreten. Am Montag übernahm ihr Nachfolger Roberto Moura den Fall und eröffnete tags darauf das Verfahren – zum Unwillen der MST, die auf einer Klärung des Verfahrens bestand.

Der erste Teil des Prozesses ging überraschend flott über die Bühne. José Maria de Oliveira, der Kommandeur der zweiten Einheit, muss erst am Dienstag aussagen. Pantojas direkter Untergebener, Hauptmann Raimundo Lameira, wurde freigesprochen. Ende Mai und Mitte Juni stehen die weiteren 146 angeklagten Militärpolizisten vor Gericht.

Gegenüber der taz sprach Carlos Guedes, der den Fall von Anfang an begleitet hat, von einem „Teilerfolg“. Überrascht habe ihn allerdings der Freispruch für Lameira. „Damit ist der Sündenbock ist gefunden, und alle anderen Polizisten dürften freigesprochen werden“, sagte Guedes. Anfang 2003, sobald die Immunität von Gouverneur Gabriel aufgehoben sei, werde die MST den Parteifreund von Präsident Cardoso verklagen.

GERHARD DILGER

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