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Offener Brief

■ an die italienischen Wählerinnen und Wähler zur Bürgermeister- Stichwahl am 5.12.93

Was würden Sie sagen, wenn Schönhuber zum Bürgermeister von München gewählt würde? Würden Sie schweigen?

Mit hoher Wahlbeteiligung haben kürzlich die Bürgerinnen und Bürger Italiens bei ihren Kommunalwahlen gegen die korrupten Altparteien und in großer Zahl für breitgefächerte gemäßigte Allianzen gestimmt.

Viele Wählerinnen und Wähler haben sich aber auch entschieden der Movimento Sociale Italiano, der neofaschistischen Partei Italiens, ihre Stimmen zu geben. In Rom und in Neapel haben neofaschistische Bürgermeisterkandidaten große Stimmenanteile gewonnen und haben gute Chancen, sich bei der am 5. Dezember stattfindenden Stichwahl durchzusetzen.

Wir beobachten das Erstarken neofaschistischer Kräfte in Europa mit großer Besorgnis. Nationalistische und faschistische Politik ist für uns untrennbar verbunden mit einer Tradition der Intoleranz und Menschenverachtung. Die Geschichte unseres Jahrhunderts mit Krieg und Verfolgung von Minderheiten sowie unsere alltägliche Gegenwart mit Fremdenhaß und braunem Straßenterror bieten dafür genügend Beweise.

Wir begreifen das Bedürfnis Italiens, zu politischer und wirtschaftlicher Sicherheit und Stabilität zu finden. Wir vertrauen dabei auf den festen Willen einer Mehrheit der italienischen Wählerinnen und Wähler, die notwendige demokratische Erneuerung nicht durch Rückgriff auf das Erbe Mussolinis und Hitlers zu betreiben.

Ein neofaschistischer Bürgermeister Roms und eine Enkelin Mussolinis als Bürgermeisterin von Neapel wären ein braunes Fanal auch für Deutschland und Europa.

Die politische Kultur des Faschismus darf nicht wieder salonfähig werden – weder in Italien noch anderswo! Karin Gavin-Kramer,

Marco Piantini,

Sandro Pirovano,

Paolo Soldini, Berlin

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