Offener Brief der "Gorch Fock"-Crew: Führung verunsichert Armee
In einem offenen Brief an den Verteidigungsminister beklagt die Crew der "Gorch Fock" Mangel an Rückhalt. Die bundeswehrinterne Kritik an zu Guttenberg wächst.

In der Debatte über die Missstände innerhalb der Bundeswehr gerät Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zunehmend auch in die Kritik von Soldaten, Offizieren und Generälen. Die Stammbesatzung des Marinesegelschulschiffs "Gorch Fock" beklagt in einem offenen Brief an Guttenberg, dass es ihr an Rückhalt in der Bundeswehr fehlt, und kritisiert die vorläufige Suspendierung des "Gorch Fock"-Kapitäns Norbert Schatz als "Abservierung".
Der Deutsche Bundeswehrverband sichert dem abberufenen Kommandanten unterdessen Unterstützung zu: "Kapitän Schatz erhält von uns allen Rechtsschutz", sagte der Vorsitzende, Oberst Ulrich Kirsch, der Bild am Sonntag. Einer juristischen Beschwerde gegen den Verteidigungsminister wegen der Suspendierung räumte Kirsch "große Chancen" ein.
Auf der "Gorch Fock" war im November eine Soldatin bei einem Sturz aus der Takelage auf das Deck ums Leben gekommen. Guttenberg hatte Schatz daraufhin vorläufig von seinen Aufgaben entbunden, allerdings ohne ihn zuvor gehört zu haben. Diese Vorgehensweise, erfuhr die taz aus Bundeswehrkreisen, erinnere viele an Guttenbergs Verhalten während der Kundus-Affäre, als der Minister seinen damaligen Staatssekretär sowie den Generalinspekteur der Bundeswehr eilig schasste: "Das stößt bei den braven Soldaten übel auf."
"Sehr geehrter Herr Minister, mit diesem Brief möchten wir uns als Stammbesatzung zu den Behauptungen, die in der Presse kursieren, äußern. Der Unfall unserer Kameradin war für alle ein harter Schlag. Daher ist es uns unverständlich, Äußerungen zu hören, welche uns Ausbilder als Menschenschinder bezeichnen. Dies ist Rufmord!
Auch ist uns allen unverständlich, einen Kommandanten, der allseits beliebt ist, gut zu seiner Besatzung war, so abzuservieren. Auch fehlte uns der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen, welche sich zu keiner Zeit vor uns stellten oder sich nach unserem Befinden erkundigt haben. Zu keiner Zeit wurde hier an Bord ein Soldat von einem anderen sexuell belästigt.
Natürlich haben sich Politiker jeder Parteizugehörigkeit sehr gerne im Schein dieses Schiffes gefeiert. Genau diejenigen, die uns jetzt fallengelassen haben. Wir werden nun in der Presse als schlechte Menschen, ja gar als Unmenschen dargestellt. Wir, die Stammbesatzung der Gorch Fock, fühlen uns sehr alleine gelassen hier am Ende der Welt."
(Stark gekürzer Auszug, der ganze Brief findet sich bei spiegelfechter.com)
Teile der Armee seien inzwischen verunsichert, weil Guttenberg, bislang einer der beliebtesten Verteidigungsminister, mehrfach gezeigt habe, dass er sich nur so lange vor die Soldaten stelle, wie es seiner eigenen Popularität nicht schade. In dem offenen Brief heißt es dazu: "Auch fehlte uns der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen."
Guttenbergs Krisenmanagement gefährdet nach Einschätzung des Ex-Bundeswehr-Generalinspekteurs Harald Kujat dessen Rückhalt bei den Militärs. Die eilige Beurlaubung des Kommandanten könne sich "auf die Einstellung in den Streitkräften auswirken", warnte Kujat zuletzt mehrfach.
Kenner der Szene, die nicht zitiert werden wollen, vermuten dagegen als eigentlichen Grund der bundeswehrinternen Kritik an Guttenberg dessen Ankündigung von Einsparungen bei der Bundeswehr. Insbesondere die "höhere Generalität" empfinde es als Zumutung, keinerlei finanzielle Gewissheit für ihre Ausrüstungs-, Stationierungs- und Personalplanung zu haben. (mit dpa und afp)
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