piwik no script img

Özdemir bekennt sich zu Rot-Grün„Wir wollen die Stimmen der Union“

Auf dem Grünen-Parteitag hat Parteichef Özdemir sich klar für eine Koalition mit der SPD ausgesprochen. Die Partei müsse Union und FDP „so einheizen, dass es kracht“.

„Lasst uns nicht kirre machen“, rät Özdemir seinen Parteifreunden. Bild: reuters

HANNOVER dpa | Mit einer klaren Koalitionszusage an die SPD und milliardenschweren Sozialversprechen ziehen die Grünen in den Bundestagswahlkampf 2013. „Es wird Zeit, dass wir endlich wieder eine Regierung bekommen, die kraftvoll regiert“, sagte Parteichef Cem Özdemir am Freitag zum Auftakt des Bundesparteitages in Hannover. Es gelte, Schwarz-Gelb abzulösen und eine große Koalition zu vermeiden.

Einem Bündnis der Grünen mit CDU und CSU erteilte Özdemir eine Absage. „Wir wollen nicht die Union, wir wollen die Stimmen von der Union.“ Bis zur Bundestagswahl müssten die Grünen Union und FDP „so einheizen, dass es kracht“. Die Absage an Schwarz-Grün wurde von den rund 800 Delegierten mit Jubel und Beifall bedacht. „Lasst uns nicht kirre machen von diesen Debatten“, rief Özdemir. „2013 wollen wir mit der SPD regieren.“

Besonders die Wahl der zum Realo-Flügel zählenden Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt zur Spitzenkandidatin für den Wahlkampf hatte diese Debatten befeuert. Zusammen mit ihr wird Fraktionschef Jürgen Trittin die Grünen im kommenden Jahr in die Wahlauseinandersetzung führen.

Özdemir betonte, auch die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück müsse noch zulegen. Entscheidend sei, dass die Grünen möglichst stark werden. „Wir müssen auch stark sein, um die SPD von dem einen oder anderen Irrsinn abzuhalten.“ Derzeit kommen beide Parteien laut Umfragen nur auf rund 43 Prozent der Stimmen im Bund. Göring-Eckardt betonte in der Zeitung Die Welt mit Blick auf Schwarz-Grün, dass Welten zwischen beiden Parteien lägen. „Unsere Positionen sind in zentralen Politikfeldern unvereinbar.“

Höhere Steuern und mehr Hartz IV

Mit Spannung wird die Wahl der Parteiführung am Samstag erwartet. Neben Özdemir bemüht sich auch die Co-Vorsitzende Claudia Roth um eine Bestätigung in ihrem Amt – trotz der Schlappe bei der Urwahl des Wahlkampf-Spitzenduos, die Trittin und Göring-Eckardt deutlich gewannen. Der Parteitag in Hannover soll auch Rückenwind geben für die Landtagswahl am 20. Januar 2013 in Niedersachsen, wo SPD und Grüne gewinnen wollen. Dies wäre ein Signal für die Bundestagswahl im September 2013.

Bei dem dreitägigen Parteitag wollen die Grünen besonders ihr sozialpolitisches Profil schärfen. Mit Spannung wurde erwartet, wie weit links der neue Kurs sein wird – gerade auch mit Blick auf die trotz aller Absagen theoretische Option eines Bündnisses mit der Union. Mit höheren Steuern für Spitzenverdiener, einer Vermögensabgabe und einer Streichung klimaschädlicher Subventionen will die Partei einen Spielraum von zwölf Milliarden Euro schaffen. Damit soll in Bildung, die Energiewende und soziale Sicherung investiert werden.

Heftig rangen die Grünen bis zum Parteitagsbeginn um Kompromisse. So gilt als wahrscheinlich, dass der Parteitag eine Anhebung des Hartz-IV-Satzes von 374 auf 420 Euro bald nach einem Wahlsieg 2013 fordern wird. Dem standen viel weitergehende Forderungen gegenüber, unter anderem eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes auf rund 475 Euro. Über den Sozialkurs und mögliche Korrekturen an den Agenda-2010-Reformen von Rot-Grün soll am Samstagmittag entschieden werden. Özdemir forderte einen gesetzlichen Mindestlohn und mehr Geld für gute Bildung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Young Leader Özdemir möchte also nicht mit seiner Kollegin von der Atlantikbrücke regieren. Soll ich das glauben?

  • G
    Grünspan

    Nach außen modisch grün, nach innen christlich-bieder schwarz - auf dem Weg in die 50er Jahre.

  • P
    Peter

    "Parteichef im Interview: Özdemir warnt Grüne vor Linksruck" - so überschrieb gestern der "Spiegel" seinen Beitrag.

    Auch Cohn-Bendit hatte in den letzten Tagen Schwarz-Grün im Auge. Die Grünen saßen nach eigenem Willen in Landesregierungen mit der CDU.

    Die Grünen haben auf Bundesebene alle Sozialabbau-Gesetze mitbeschlossen, mitgetragen und auch verteidigt.

    Damit sind die Grünen zu einer unglaubwürdigen Partei verkommen.

     

    Warnung vor Linksruck heißt logisch weiter geradeaus wie bisher oder rechts im Auge zu haben.

     

    Links ist sozial und geht anders!!!

  • M
    messerjokel

    Eins ist sicher, ich für meinen Teil werde keine Partei wählen die bei einem möglichen Fünf- oder gar Sechsparteien-Parlament schon im Vorfeld ihre Koalitinsmöglichkeiten einschränkt.

    Eigentlich hatte ich erwartet "man" hätte dazugelernt, aber jetzt fallen mir langsam keine Attribute die Intelligenz dieser Strategen betreffend, mehr ein, welche nicht vom Moderator sanktioniert werden müssten.

  • R
    reblek

    "Özdemir bekennt sich zu Rot-Grün" - Ich lache mich schlapp, was gibt es da zu "bekennen", der Kerl ist scharf darauf wie Nachbars Lumpi, damit es endlich wieder an die Regierung geht. Es hat doch damals richtig Spaß gemacht, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Serbien zu führen und ein "Sozialgesetz" durchzuwinken, das nach einem verurteilten Straftäter benannt ist, nicht wahr? Dieser Verein ist doch so etwas von gewissen- und gesinnungslos, dass ihm gar keine andere Möglichkeit bleibt, als sich mit einem anderen Verein desselben Kalibers zusammenzutun - der SPD mit Steinbrück an der Spitze. Für Scham ist da weder Zeit noch Platz.