Kein kurzer Prozess für Kurz

Vorgeworfen wird Österreichs Exkanzler Falschaussage im Ibiza-Skandal. Prozess hat in Wien begonnen

Aus Wien Florian Bayer

Wenn Österreichs Exkanzler Sebastian Kurz öffentlich auftritt, ist ihm – fast zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Politik – mediale Aufmerksamkeit garantiert. So war es auch am Mittwoch: Mehr als 90 Journalisten waren im Einsatz, als das Gerichtsverfahren gegen ihn im altehrwürdigen Wiener Straflandesgerichts begann. Vorerst sind drei Termine anberaumt, zu rechnen ist aber mit einem monatelangen Prozess. Die Materie ist umfangreich und allein die anklagende Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nominierte mehr als 20 Zeugen.

Vorgeworfen wird dem noch unbescholtenen Kurz Falschaussage vor dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss im Juni 2020. In der dortigen Befragung hatte er angegeben, nicht bei der Vorstandsbestellung der Staatsholding Öbag mitgemischt zu haben, als diese von der GmbH zur Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Der hochdotierte Vorstandsposten ging an Thomas Schmid, einen engen Vertrauten von Kurz. Kurz will mit dessen Bestellung aber nichts zu tun gehabt haben.

Neben Kurz sind zwei weitere Personen wegen Falschaussage angeklagt. Hauptangeklagte ist Bettina Glatz-Kremsner, Vizeparteiobfrau der ÖVP unter Kurz und Vorstandsvorsitzende der teilstaatlichen Casinos Austria AG. Bernhard Bonelli ist auch angeklagt, Kurz’ Exkabinettschef.

Kurz wirkte am Gericht leicht angespannt, ist aber weiterhin von seiner Unschuld überzeugt. Die WKStA, auf die er sich seit Jahren immer wieder einschießt, habe jede seiner Aussagen „immer wenn es die Möglichkeit gab, sie in zwei Richtungen zu interpretieren, in die für mich nachteilige Richtung interpretiert“, sagte er vor Prozessbeginn zu den Medien. In Summe sei er zuversichtlich: „Ich hoffe doch auf ein faires Verfahren und dass sich die Vorwürfe als falsch herausstellen.“

Die Fairness stellt Kurz’ Verteidiger Otto Dietrich aber gleich zu Prozessbeginn infrage: Richter Michael Ra­dasztics sei befangen, weil ihm vor Jahren der Verrat von Amtsgeheimnissen an den betont Kurz-kritischen Parlamentarier Peter Pilz vorgeworfen worden war. Ein entsprechendes Verfahren wurde aber vor Jahren eingestellt. Richter Radasztics wies die Beschwerde ab und bestritt jedwede Befangenheit. Er pflege keinerlei persönliche Beziehung zu Pilz und hatte lediglich im Zuge damaliger Ermittlungen in seiner Funktion als Staatsanwalt mit ihm zu tun.

Danach folgte das Plädoyer der beiden WKStA-Staatsanwälte, das den restlichen Vormittag einnehmen sollte. Sie fassten nochmal die Vorwürfe des 108-seitigen Strafantrags zusammen, erklärten die Art der Beweiswürdigung und betonten, dass Kurz mit der mutmaßlichen Falschaussage nicht nur den U-Ausschuss, sondern die Allgemeinheit angelogen habe. Es gebe nicht nur eine Indizienkette, sondern einen ganzen „Beweiskreis“ an Chatnachrichten, E-Mails und Zeugenaussagen, die immer mehr erhärtet hätten, dass Kurz sehr wohl in die Personalie Schmid eingeweiht gewesen sei. Wesentlich, so die Staatsanwälte in ihrem Plädoyer, waren auch die Aussagen von Schmid, der einen Antrag auf Kronzeugenschaft stellte und umfassend ausgesagt haben soll.

Am Nachmittag folgten die Stellungnahmen aller Verteidiger, die im Wesentlichen der Verteidigungslinie von Kurz folgten. Zeugen wurden am ersten Prozesstag noch nicht vernommen.