Österreichische Jungköchin über Essen: „Tanne schmeckt“
Milena Broger ist 30 Jahre alt und Küchenchefin eines Gourmetrestaurants. Ein Gespräch über Fernsehshows, Fermentiertes – und Saibling mit Tannennadeln.
taz: Milena Broger, Sie sind Küchenchefin im Drei-Hauben-Restaurant „Weiss“ in Bregenz. Bei meinem Besuch war ich erstaunt, wie wenig elitär es dort zugeht. Die Gerichte sind erschwinglich, die Einrichtung ist schlicht. Was verfolgen Sie gemeinsam mit Ihren beiden Mitstreiter:innen für ein Konzept?
Milena Broger: Wir wollten einen Ort erschaffen, an dem sich auch Menschen wohlfühlen, die mit Gourmetrestaurants normalerweise nichts zu tun haben. Aus diesem Grund haben wir uns auch für Materialien entschieden, die gleichzeitig locker und elegant sind. Das heißt: Keine Tischdecken, dafür Servietten aus schönem Stoff, schlichte, hochwertige Weingläser, viel geschliffenes, geöltes Holz.
Was ist Ihre Kochphilosophie?
Uns ist Nachhaltigkeit sehr wichtig. Also kommt bei uns ausschließlich Fisch, Fleisch und Gemüse aus der Region am Bodensee auf den Tisch. Auch die übrigen Produkte stammen aus Österreich. Bei ihrer Verarbeitung geht es uns dann darum, ihren spezifischen Geschmack herauszuarbeiten, dazu bedienen wir uns bei Kochtechniken aus aller Welt.
Haben Sie jemals darüber nachgedacht, auf tierische Produkte zu verzichten?
Wir befinden uns in einer Gegend, wo Milch- und Fleischprodukte einfach einen hohen Stellenwert haben. Deshalb ist das nie zur Debatte gestanden. Ich verstehe natürlich, warum man darauf verzichten will, aber in unserem Fall würde es keinen Sinn machen.
Wie kommt es, dass Sie ausgerechnet Köchin werden wollten?
Bei uns in der Familie hat Kochen schon immer eine große Rolle gespielt. Mein Vater ist in einem Gasthof groß geworden. Als ich 6 oder 7 Jahre alt war, hat er damit begonnen, ganz viele Kochbücher zu kaufen und auch mal etwas experimentellere Gerichte zu kochen. Zehn Gänge zu Silvester und so. Und irgendwie hat er mich da mit reingezogen.
30, ist Küchenchefin im „Weiss“ in Bregenz, das vom Gault & Millau mit drei Kochmützen – österreichisch Hauben – bewertet wird.
Welches Kochbuch hat Sie damals besonders fasziniert?
Eines von der österreichischen Sterneköchin Johanna Maier. Ich erinnere mich noch, wie ich diese Frau für ihre raffinierten Gerichte bewundert habe.
Sie haben als Schülerin die höhere Lehranstalt für Tourismus besucht und konnten Ihre Kochausbildung neben der Matura machen. Wie ging es danach weiter?
Mit vielen offenen Fragen. Denn mit 18 will man nicht immer arbeiten, wenn andere frei haben. Deswegen habe ich dann auch erst mal Jura studiert und als Kind, das aus keiner reichen Familie kommt, nebenbei in verschiedenen Küchen gejobbt. Das hat dazu geführt, dass ich mich auf keines der beiden Dinge richtig konzentrieren konnte.
Und letztlich haben Sie sich fürs Kochen entschieden!
Weil Kochen so ein schöner Beruf ist. Man schafft etwas mit den eigenen Händen und bekommt viel Anerkennung dafür.
Mit Anfang 20 waren Sie für ein Kochpraktikum in Japan. Warum?
Ich habe mich damals sehr für die japanische Haute Cuisine, die Kaiseki-Küche, interessiert. Dabei verbirgt sich hinter jedem Gericht eine Geschichte und diese Geschichte ist sehr wichtig. Das hat mich fasziniert.
Wie war es dann in Japan?
Vollkommen anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Statt in einem Kaiseki-Restaurant habe ich ein Praktikum in einer Ramenbar gemacht. Ramen, das sind ganz simple Nudelsuppen, die aber sehr gut schmecken.
War die Kochausbildung in Japan anders als in Österreich?
Sie ist ähnlich streng, aber es läuft alles ruhiger ab und man legt mehr Wert aufs Detail. So hat mein Chef klatschend neben mir gestanden, wenn ich Lauch geschnitten habe. Er war der Meinung, im Takt schneidet man präziser.
Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?
Dass gute Küche nicht kompliziert sein muss und dass man sich lieber auf einige wenige Speisen konzentriert, als eine riesige Palette anzubieten.
Als ich im „Weiss“ war, hat mich am meisten ein Gericht aus gebeiztem Saibling mit Tannennadeln fasziniert.
Die Tanne ist einer meiner Lieblingsgeschmäcker, weil sie ein so breites Geschmacksspektrum hat. Ein wenig Zitrus, Orange, Harz …
Kann man eigentlich jeden Nadelbaum essen?
Nein. Eibe ist giftig, Kiefern- oder Fichtennadeln hingegen schmecken sehr gut. Man kann Öl aromatisieren, Fleisch räuchern oder darin anschmoren. Und man kann die frischen Wipfel einfrieren und sie später auf den Fisch geben.
Der Blickfang im „Weiss“ ist ein riesiges Regal voller eingelegter und fermentierter Gemüse. Warum spielen sie eine so wichtige Rolle?
Da wir ausschließlich regional kochen, kriegen wir mit ihnen im Winter Farbe und Geschmack auf die Teller.
Sie haben für Magazine über Essen geschrieben und viele Jahre in einer österreichischen TV-Sendung gekocht. Seit Kurzem sind Sie in der Jury des ZDF-Kochwettbewerbs „Die Küchenschlacht“. Wie schwer ist es, über Geschmack zu sprechen?
Kritik üben habe ich von klein auf gelernt. Bei uns zu Hause durften wir sagen, wenn uns etwas nicht schmeckt. Doch wir mussten es begründen.
Bei der „Küchenschlacht“ sind viele der Fernsehköche Männer. Und auch sonst stehen in Restaurants überwiegend Männer hinter dem Herd. Wie ist es, da als Frau mitzumischen?
Ich koche gerne mit Männern. Was mich aber schon beschäftigt, ist, dass ich hin und wieder als Putzfrau abgestempelt wurde, nur weil ich es gerne ordentlich habe.
Mal eine andere Frage: Warum tragen Sie im Fernsehen eigentlich immer ein weißes Kleid?
Kleider sind einfach bequemer. Außerdem möchte ich schön ausschauen, wenn ich arbeite, weil ich eigentlich rund um die Uhr arbeite und sonst nicht viel Gelegenheit dazu habe.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Sie waren gerade mal 25, als Sie 2018 als Küchenchefin im „Klösterle“ in Lech zwei Hauben erkocht haben. Dieses Jahr wurden Sie unter die besten hundert Köch:innen Österreichs gewählt. Ist Ihnen denn auch schon mal etwas schiefgegangen?
Ja, das passiert natürlich schon. Aber konkret fällt mir jetzt nichts ein.
Merken Sie manchmal erst hinterher, dass etwas nicht zusammenpasst?
Nicht wirklich. So wie sich ein Architekt einen Raum vorstellen kann, geht es mir mit der Kombination von Geschmäckern.
Sie kochen ja mit Ihrem Freund, dem dänischen Koch Erik Pedersen, zusammen. Wie schafft man das, 24/7 zusammenzusein?
Wir haben schon zusammen gekocht, als wir noch kein Paar waren, deshalb ist es kein großes Problem für uns. Wenn uns etwas stört, sprechen wir es an, aber meistens funktioniert unsere Kommunikation ohne Worte.
Gibt es etwas, das er besser kann als Sie?
Er kann besser mit Feuer umgehen.
Und wie geht er damit um, dass Sie die Bekanntere sind?
Das sieht er eigentlich entspannt. Er weiß ja, dass es unser gemeinsamer Erfolg ist und ich nur deshalb mehr im Rampenlicht stehe, weil ich eine Frau bin und aus dieser Gegend komme.
Aktuell klagt die Branche über Fachkräftemangel. Wie erleben Sie das bei sich im Restaurant?
Das ist leider ein riesiges Problem für uns. Wir denken gerade viel darüber nach, wie wir damit umgehen. Ob wir uns verkleinern sollten oder was da jetzt die richtige Lösung ist.
Würden Sie heute Ihrem 7-jährigen Selbst raten, Köchin zu werden?
Auf jeden Fall. Es ist zwar ein extrem harter Beruf, aber im Büro sitzen ist härter.
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