Ölpreis in Nigeria: Subventionsstopp entzürnt das Volk
Nach der Terrorwelle Weihnachten explodieren Neujahr die Treibstoffpreise. Das haben sich nicht einmal die Militärdiktatoren der Vergangenheit getraut - aus Angst.
BERLIN taz | Als hätte das Land dank des eskalierenden Konflikts mit radikalen Islamisten nicht genug Probleme, hat Nigerias Regierung jetzt auch eine soziale Protestwelle heraufbeschworen. Mit Ende 2011 ist die staatliche Subventionierung der Benzinpreise zu Ende gegangen - die einzige staatliche Maßnahme zugunsten der Armen, die in Nigeria über alle Wirren und Diktaturen Bestand gehabt hat. Der Benzinpreis, bislang bei 65 Naira (ca. 0,30 Euro), hat sich nun schlagartig mehr als verdoppelt - auf offiziell 138 (ca. 0,65 Euro), mancherorts aber bis zu 250 Naira (1,20 Euro), mehr als das durchschnittliche Tageseinkommen in Nigeria.
Entsprechend schnellten seit Sonntag auch sämtliche Bus- und Sammeltaxipreise in die Höhe, dazu Warenpreise, in die Transportkosten einfließen. Viele Fahrpreise haben sich verdoppelt oder gar verdreifacht, berichten nigerianische Zeitungen.
Nicht einmal die nigerianischen Militärdiktatoren hatten sich das je getraut, weil sie den Volkszorn fürchteten. Die gewählte Regierung von Präsident Goodluck Jonathan jedoch sieht das Ende der Benzinsubventionen als überfälligen Schritt zur Sanierung des Ölsektors. Nigeria fördert täglich zwei Millionen Barrel Öl, aber seine Raffinerien sind seit Jahrzehnten kaputt und alle Treibstoffe werden importiert.
Traditionell bereichert sich die Elite
An diesen Importgeschäften, gefördert durch die künstlich niedrig gehaltenen Endverkaufspreise, bereichert sich traditionell die Elite aus Militärs, korrupten Politikern und skrupellosen Geschäftsleuten, während gleichzeitig die Deviseneinnahmen aus dem Ölexport dafür draufgehen und somit der Ölreichtum Nigerias den 170 Millionen Nigerianern nicht zugute kommen kann - außer eben auf dem Umweg des verbilligten Benzins, weswegen sich das Volk jetzt doppelt bestohlen fühlt.
Die Regierung rechnet vor, sie habe in den letzten fünf Jahren umgerechnet rund 18 Milliarden Euro für Treibstoffsubventionen ausgegeben. Dieses Geld fehle für dringend nötige Investitionen in Infrastruktur, beispielsweise ins marode Stromnetz, dessen Unzuverlässigkeit die meisten Nigerianer zur Verwendung von ebenfalls subventionierten Diesel- und Kerosinbrennstoffen zwingt.
So fiel die Benzinsubvention aus dem Staatshaushaltsentwurf 2012 weg. Den lehnte das Parlament deswegen ab, und er ist noch nicht verabschiedet. Nun wurde die Subvention trotzdem von der Ölpreis- und -regulierungsbehörde PPPRA abgeschafft. Nigerias Opposition nennt diesen Schritt illegal.
"Eine Bombe gegen das nigerianische Volk"
Der wichtigste Oppositionsführer, Exdiktator Muhammadu Buhari, nannte die Subventionsstreichung "eine Bombe gegen das nigerianische Volk am Neujahrstag". Er fügte hinzu: "Viele Leute sind über die Feiertage weggefahren und können jetzt nicht mehr nach Hause, weil sie sich die Fahrpreise nicht leisten können."
Der oppositionelle "Action Congress of Nigeria" (ACN) warnte, die Kombination von Preiserhöhungen und Terroranschlägen könne Nigeria "in den Abgrund" stürzen. Die Regierung hätte erst Nigerias Ölraffinerien instandsetzen und die einheimische Benzinproduktion ankurbeln sollen, bevor sie die Subventionen streiche.
Nigerias Gewerkschaften riefen zu Protestaktionen auf. Mehrere tausend Menschen nahmen gestern, am ersten Arbeitstag des Jahres, an Demonstrationen in mehreren Städten teil. In der Metropole Lagos gab es Zusammenstöße mit der Polizei. Kundgebungen in der Hauptstadt Abuja wurden am Montag von der Polizei mit Tränengas aufgelöst und der zentrale "Eagle Square" abgeriegelt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören