Ökonomin über griechische Wirtschaft: „Beim Grexit würden alle verlieren“
Der Grexit wäre katastrophal, Währungsspekulanten würden das Land zugrunde richten, warnt Ökonomin Spiecker. Merkel müsse nun auf die Griechen zugehen.
taz: Frau Spiecker, Minister Schäuble hofft weiter auf den „Grexit“. Auch einige griechische Linke möchten raus aus dem Euro. Eine gute Idee?
Friederike Spiecker: Nein. Beim Grexit würden alle verlieren. Das gilt für Griechenland genauso wie für die Eurozone.
Was wäre das Problem?
Griechenland ist ein kleines Land, das sofort zum Spielball der Finanzmärkte würde. Die Spekulanten würden dafür sorgen, dass die Drachme viel zu stark abwertet. Es wäre ein Verarmungsprogramm für die griechische Bevölkerung, die Rohstoffe und dringend benötigte Medikamente nicht mehr oder nur zu horrenden Preisen importieren könnte.
Aber die Griechen hätten doch wieder ihre eigene Zentralbank. Warum könnte die griechische Notenbank die Drachme nicht stützen?
Um die eigene Währung vor Abwertung zu schützen und Attacken der Spekulanten abzuwehren, benötigt eine Zentralbank ausländische Währungen – am besten Dollar oder Euro. Diese Devisen haben die Griechen aber nicht. Denn dafür benötigt man Exportüberschüsse, die Griechenland bisher nicht erwirtschaftet. Zudem stellt sich die Eurozone ja vor, dass die Griechen ihre Kredite zurückzahlen sollen. Falls es Exportüberschüsse gäbe, würden sie in den Schuldendienst fließen – und stünden der griechischen Zentralbank nicht zur Verfügung.
48, ist studierte Ökonomin und arbeitet heute als freie Wirtschaftspublizistin zu bundesweiten wie internationalen Fragen der Wirtschaftspolitik. Außerdem ist sie in der wirtschaftspolitischen Beratung von Parteien, Gewerkschaften und Verbänden tätig.
Könnte die Europäische Zentralbank nicht mit den Griechen zusammenarbeiten – und einfach einen festen Drachmen-Kurs zum Euro fixieren?
In der Tat wäre es für die EZB ganz einfach, die nötigen Euros zur Verfügung zu stellen. Aber leider ist die EZB nicht dafür bekannt, Länder in Not zu unterstützen. Zum Beispiel wäre es die beste Osteuropa-Politik gewesen, Polen, Tschechien oder Ungarn dabei zu helfen, ihre Devisenkurse stabil zu halten. Stattdessen hat man diese Länder ihrem Schicksal überlassen – und wundert sich jetzt, dass Ungarn in den Faschismus abgleitet.
Warum sind Sie so sicher, dass die EZB ihre Fehler wiederholen würde?
Weil sie kein Interesse daran haben kann, dass Griechenland ökonomischen Erfolg hat, wenn es den Euro verlässt.
Das klingt nach Verschwörungstheorie.
Nein. Sie müssen sich nur in die Lage der EZB versetzen. Wenn es in Griechenland nach einem Grexit aufwärts ginge, würden andere Krisenländer auch versucht sein, die Währungsunion zu verlassen. Der Euro würde sich auflösen, und die Existenzberechtigung der EZB wäre untergraben.
Die Griechen sollen die Sparvorgaben der Eurozone also brav umsetzen?
Die geplanten Sparauflagen sind eine Katastrophe und werden die griechische Wirtschaft weiter in den Abgrund treiben. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble ihre Haltung ändern und auf die Griechen zugehen. Dies erscheint mir jedenfalls weniger unwahrscheinlich als eine Zusammenarbeit der EZB mit der griechischen Zentralbank, um eine neue Drachme zu stabilisieren. Aber wenn die deutsche Regierung nicht nachgibt, kann es trotzdem sein, dass der Grexit am Ende kommt.
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