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Ökonomin über Fischereisubventionen„Handelsregeln nicht stark genug“

Um bedrohte Fischbestände zu schützen, will die WTO diese Woche Subventionen für die Fischerei neu regeln. Expertin Ranja Sengupta ist skeptisch.

Fi­sche­r*in­nen im Fischereihafen von Xiangzhi in Südostchina Foto: Song Weiwei/XinHua/dpa
Interview von Merle Groneweg

taz: Frau Sengupta, die praktisch totgesagte Welthandelsorganisation (WTO) atmet doch noch: Die Fischerei auf den Weltmeeren soll endlich nachhaltig werden, dabei soll ein internationales Abkommen über Subventionen für Fi­sche­r*in­nen helfen. Klappt das?

Ranja Sengupta: Der erste Teil des Übereinkommens wurde bereits 2022 unterzeichnet. Jetzt stehen alle Mitgliedsstaaten unter Druck, das Abkommen abzuschließen, auch wenn viele Entwicklungsländer mit dem Text nicht zufrieden sind. Seit Beginn der Verhandlungen fordern die Entwicklungsstaaten, das Prinzip der „Sonder- und Vorzugsbehandlung“ auch bei diesem Übereinkommen zu verankern.

Im Interview: Ranja Sengupta

ist Handelsexpertin beim Third World Network. Die Ökonomin beobachtet die Verhandlungen um die Fischereisubventionen vor Ort in Abu Dhabi. Diese sind Teil der dreizehnten Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation, die am Montag beginnt.

Viele Verträge der Welthandelsorganisation enthalten solche Bestimmungen, die Ländern des globalen Südens gewisse Vorteile garantieren, längere Übergangsfristen zu neuen Vorgaben zum Beispiel. Das soll die Regelungen gerechter machen.

Aktuell scheint sich dieses Prinzip eher umzukehren. Wer nachweisen kann, dass er „nachhaltig“ fischt, darf weiter subventionieren. Doch den meisten Entwicklungsländern fehlen die Kapazitäten, um diese aufwendigen Nachweise zu erbringen, während Industriestaaten über diese Mechanismen verfügen. Außerdem sind die aktuell erwogenen Handelsregeln nicht stark genug, um tatsächlich jene Staaten zu treffen, die Großfischerei und Fernfischerei maßgeblich subventionieren.

Was die WTO noch macht

Die Welthandelsorganisation sei wirkungslos, hört man oft. Sie wird dann mit der schon seit 2001 andauernden und de facto gescheiterten Doha-Runde gleichgesetzt, die neue grundlegende Regeln für einen liberalisierten Welthandel finden soll. Ein weiterer Grund für das schlechte Image der WTO ist die Stagnation bei ihrem Streitschlichtungsverfahren, das eigentlich die Lösung von internationalen Handelskonflikten erleichtern soll. Die USA blockieren seit Jahren die Ernennung neuer Rich­te­r*in­nen dafür. Trotz dieser Probleme findet fast der gesamte Welthandel auf Basis von WTO-Regeln statt. Diese gelten beispielsweise beim Warenverkehr mit China, Indien und Brasilien, also mit Ländern, mit denen die EU keine eigenen Freihandelsabkommen geschlossen hat.

Wie wird sich das Abkommen auf Entwicklungsstaaten auswirken, besonders auf die kleinen Fischereien?

Wir haben mit vielen kleinen Fischereiverbänden in Entwicklungsstaaten gesprochen, die das Übereinkommen sehr besorgt. Derzeit stellt sich die Frage, welche Ausnahmen für kleine Fischereien in Entwicklungsstaaten erlaubt werden. Wer darf noch subventioniert werden: Die Fischer, die nur bis zu 12 Seemeilen hinausfahren oder auch jene, die bis zu 200 Seemeilen hinausfahren? Die Grenze von 12 Seemeilen wäre zu eng, da viele kleine Fischereien weiter hinausfahren. Für Entwicklungsländer wird das ein zentraler Punkt sein: Solange es keine weitreichenden Ausnahmeregelungen für Subventionen für kleine Fischereien gibt, werden sie das Abkommen nicht unterzeichnen.

Haiti hat sich dem Übereinkommen in der vergangenen Woche angeschlossen. In diesem Fall treten die Entwicklungsstaaten also nicht geschlossen auf.

Ja, aber Einigkeit unter Entwicklungsländern war von Beginn der WTO eine Herausforderung. Noch dazu hängt sie von einigen wenigen großen Akteuren ab. Ändert ein großes Land wie Indien seine Position, bricht das ganze Bündnis zusammen. Außerdem sind die Entwicklungsstaaten nicht nur mit den eigentlichen Abkommen konfrontiert, sondern auch mit exklusiven Verhandlungsprozessen.

Wie meinen Sie das?

Viele Diskussionen finden in den sogenannten „green rooms“ statt, also bei informellen Gesprächen unter mächtigen Ländern. Außerdem ist es für Länder, die aufgrund mangelnder Kapazitäten nur kleine Delegationen schicken können, schwer, an den vielen parallelen Verhandlungen teilzunehmen. Viele Entwicklungsstaaten sind deshalb zunehmend frustriert. Gleichzeitig haben sie natürlich nicht in allen Bereichen die gleichen Interessen. Also bleibt es eine Herausforderung, Allianzen aufzubauen. In unserer Arbeit in Genf erleben wir aber, dass die meisten Entwicklungsstaaten sich immer intensiver darum bemühen.

Die Welthandelsorganisation zelebriert das Übereinkommen über Fischereisubventionen als das erste Abkommen, das Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellt. Warum stößt das auf so viel Kritik?

Die Nachhaltigkeits- und Umweltagenda stellt eine große Herausforderung für Entwicklungsstaaten dar. Nicht, weil sie sich nicht für Umweltschutz einsetzen wollen, sondern weil die Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsaspekte jetzt themenübergreifend in WTO-Verhandlungen eingebracht werden, problematisch ist.

Inwiefern?

Das geht über das Fischereiabkommen hinaus: Produzenten in Entwicklungsstaaten sind oft nicht in der Lage, die geforderten „grünen“ Waren und Dienstleistungen gemäß der von Industriestaaten festgelegten Standards zu produzieren und zu zertifizieren. Wer die Standards nicht einhält, wird von den Märkten abgeschnitten. Gleichzeitig möchten die Industriestaaten sicherstellen, dass die Märkte für „grüne“ Güter und Dienstleistungen, die durch geistige Eigentumsrechte geschützt bleiben, in den Entwicklungsländern offen sind.

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