Ökonom über Obamas Bankenpläne: "An die kurze Leine nehmen"
Ökonom Henrik Enderlein unterstützt die Bankenpläne von Obama. Die Geldinstitute dürften den Steuerzahler nicht in Geiselhaft nehmen. Und Europa müsse endlich über konkrete Schritte nachdenken.
taz: Herr Enderlein, US-Präsident Barack Obama kündigt die einschneidenste Bankenreform seit Jahrzehnten an. Wie bewerten Sie seinen Vorstoß?
Henrik Enderlein: Es ist eine vernünftige Reaktion auf die Bankenkrise und das Problem, dass Banken zu groß geworden sind. Banken dürfen nicht - wie Obama es formuliert hat - die Steuerzahler in Geiselhaft nehmen. Insofern ist es ein Schritt in die richtige Richtung.
Für wie realistisch halten Sie es, dass er mit seinen Plänen durchkommt?
Es wird Widerstand von den Banken und den Republikanern geben. Ich glaube aber schon, dass Obama gute Chancen hat, auch weit zu kommen. Im übrigen kommen die Ideen von einem konservativen und hoch angesehenen Ökonomen und ehemaligen Zentralbanker: Paul Volcker genießt immenses Vertrauen sowohl in der US-amerikanischen Bevölkerung als auch in der Wall-Street. Insofern ist das kein populistischer Schritt eines Präsidenten, der unter Druck steht. Sondern da steht viel substanzielle ökonomische Denkarbeit dahinter. Sonst hätte sich Paul Volcker nicht so prominent engagiert.
Aber wird Obama mit all seinen Forderungen durchkommen?
Das sicherlich nicht. Und ich glaube auch nicht, dass es eine Wiederbelebung des Glass-Steagall Gesetzes geben wird, als Banken verboten wurden, gleichzeitig Investmentbanken und Geschäftsbanken zu sein. Das klang zwar durch. Aber so weit wird es nicht kommen. Zugleich muss aber klar sein, dass spekulierende Banken nicht darauf setzen sollten, dass der Steuerzahler sie am Ende rettet, wenn sie zu groß geworden sind.
Diese Trennung von Investment- und Geschäftsbanken hat es bis 1999 gegeben.
Das stimmt, aber auch vorher war Glass-Steaggal schon ausgehöhlt und viele Banken haben beides getan. Ich halte es aber auch nicht für sinnvoll, den ganzen Schritt wieder zurückzugehen. Eine Geschäftsbank muss heute die Möglichkeit haben, sich zur Absicherung in den Anlagemärkten zu engagieren. Da kann man zwischenzeitlich Geld parken, Options- oder Derivategeschäfte tätigen, um sich wie Versicherungen vor allzu großen Marktschwankungen zu schützen. Das sollte man Geschäftsbanken nicht untersagen. Man sollte aber ihr Engagement limitieren, etwa in dem nur ein bestimmter Teil der Bilanzsumme einer Geschäftsbank in Investmentgeschäfte gehen darf.
Wie sieht es mit der geplanten Obergrenze für die Größe von Banken aus?
Es ist schwer, in einer Marktwirtschaft die Maximalgröße eines Unternehmens zu definieren. Man kann Microsoft oder Google nicht daran hindern, mehr Software zu verkaufen. Und man kann auch keine Bank daran hindern, ihre Bilanzsumme zu vergrößern, wenn Anleger zu dieser Bank gehen wollen. Das hielte ich für einen übertriebenen Einschnitt in die freie Marktordnung. Letztendlich müssen die Anleger selbst entscheiden, welcher Bank sie vertrauen. Man könnte aber eine Regelung finden, dass Banken ab einer bestimmten Größe ihr eigenes Sicherheitskapital bilden müssen. Das Eigenkapital müsste überproportional steigen, wenn eine Bank systemische Ausmaße erreicht, damit das am Ende nicht beim Steuerzahler landet. So könnte ich mir das vorstellen.
Kann mit diesen vorgesehenen Plänen tatsächlich ein nächster Kollaps auf den Finanzmärkten verhindert werden?
Banken haben immer Wege gefunden, um Geld zu verlieren - egal in welchem regulativen Kontext. Das wird auch in Zukunft so sein. Insofern muss man so viel wie möglich tun, um Krisen zu verhindern und dafür zu sorgen, dass der Zusammenbruch einer Bank nicht das ganze System belastet. Aber das wird schwierig sein.
Was müsste im Bankensektor noch reguliert werden?
Obama ist viel weiter als die europäischen Regierungen. Er redet über Dinge, über die in Deutschland nur im extrem linken Spektrum diskutiert wird. Das ist ein Armutszeugnis für die Diskussionen in der Bundesrepublik und den anderen europäischen Ländern. Eh wir jetzt den US-amerikanischen Plan als nicht weitgehend kritisieren, sollten wir uns die Frage stellen, wie weit wir eigentlich in Europa gekommen sind. Die Obama-Initiative ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt.
Warum passiert in Europa trotz anderslautender Bekundungen so wenig?
In Europa besteht nach wie vor das Gefühl, dass man Banken in ihren Geschäften nicht einschränken sollte. Aus ökonomischer Sicht ist das falsch. Wir schränken Banken bereits massiv ein. Wir müssen sie an bestimmten Stellen eben noch stärker einschränken. Es herrscht hier ein vorauseilender Gehorsam gegenüber dem, was Banken zum Wettbewerbsnachteil ins Gefecht werfen. Wir hätten schon viel stärker verpflichtende Maßnahmen für Banken treffen müssen. Man muss die Banken einfach an die kürzere Leine nehmen, um solche Krisen - selbst wenn man sie nicht verhindern kann - zumindest kontrollierbarer zu gestalten.
Welche Auswirkungen hätten Obamas Pläne auf die internationalen Finanzmärkte insgesamt?
Das ist ganz schwer zu beurteilen und hängt davon ab, was jetzt konkret dabei heraus kommt. Meine Sorge ist, dass die Europäer jetzt sagen: Wenn es in den USA jetzt ganz streng wird, dann kommen die Banken wieder nach Europa zurück. Das wäre natürlich genau das falsche. Man sollte jetzt die Chance nutzen, im engen Dialog mit Amerikanern. Und das muss im G20-Kontext stattfinden, solche Regeln auch in Europa umzusetzen.
Und welche Auswirkungen auf die Finanzmärkte hat nur Obamas bloße Ankündigung seiner Pläne?
Die Kurse mögen darauf reagieren. Die Banken werden aber genau das tun, was sie bislang getan haben und warten, bis es tatsächlich zu einer Gesetzesinitiative kommt. Sie werden dann alles darauf setzen, Druck im Kongress auf die Abgeordneten auszuüben, um dagegen zu opponieren. Eins muss man sagen: Wenn die US-amerikanische Regierung eine Initiative durchbringen will, dann hat sie das auch gegen Lobby-Interessen geschafft.
Ich erinnere an die Zigarettenindustrie, die über Jahrzehnte als die stärkste Lobby-Industrie galt, die Nichtrauchergesetze aber schneller umgesetzt wurden als hier in Europa. Natürlich ist die Bankenlobby stark. Und natürlich gibt es Gegenwehr. Aber wenn der politische Wille da ist, dann führt die sehr direkte Demokratie in den USA dazu, dass die Abgeordneten vor allem gegenüber ihren Wahlkreisen rechenschaftpflichtig sind.
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