piwik no script img

■ ÖkolumneSteuerattrappen Von Thomas Worm

Eine Erdkugel schwebte im Hintergrund, als Peter Hintze kürzlich nach der Klausurtagung die CDU „zur Partei der ökologischen und sozialen Marktwirtschaft“ erhob. Doch auch die adrett gescheitelte Chuzpe des Generalsekretärs kaschierte es nur mühsam: Zur ökologischen Erneuerung des Steuersystems, geschweige denn des Markts, hat den Unionschristen bei ihrem Entwurf zur großen Steuerreform jedwede Gestaltungskraft gefehlt. Und auch ein auf 15 Prozent gedrückter Eingangssteuersatz garantiert noch keine soziale Gerechtigkeit. Die Chance auf eine sozialökologische Wende wird vertan. Obwohl Kohls Riege das Umdenken beschwört, versagt ihr „Reformwerk“ angesichts zweier großer Herausforderungen: Die gesellschaftliche Erosion durch den Kasino-Kapitalismus zu stoppen, der in einfallslosen Litaneien als schicksalhafte „Globalisierung“ abgefeiert wird und die Raserei gegen das Biotop Erde zu überwinden, wie sie in Artensterben und Klimakollaps zum Ausdruck kommt. Da ist Theo Waigels neue Entfernungspauschale für alle Verkehrsmittel, die die Kilometerpauschale der Autofahrer ersetzt, zu klein, um fein zu sein.

Natürlich weiß man auch in Kohls Mannschaft, daß sich Steuerkröten mit einem Umweltbapperl leichter schlucken lassen. Die von Regierungsseite jüngst wieder ins Gespräch gebrachte Erhöhung der Mineralölsteuer um 10 Pfennig ist das beste Beispiel. Immerhin fand diese Idee auch unter ökologisch orientierten Kritikern Widerhall, sei doch jede Verteuerung des Ressourcenverbrauchs umweltpolitisch sinnvoll.

Was aber würde das bringen? Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer von 65 Milliarden Mark ließen sich mit einem Groschen mehr pro Liter um rund 7 Milliarden steigern. Zwar hätte Waigel damit für seinen fiskalischen Verschiebebahnhof neue Manövriermasse gewonnen – verminderte Emissionen indes würde diese „Ökosteuer“ nicht bewirken. „Theoretisch bedeutet ein zusätzlicher Litergroschen für Benzin: Der Kraftstoffkonsum fällt um rund ein Prozent“, sagt Michael Kohlhaas vom Berliner DIW. Bedenkt man noch die Inflationsrate und die steigende Motorisierung, bleibt von dem Rückgang nichts. Auch wenn die höhere Kraftstoffabgabe vorerst vom Tisch ist – sollte Waigel künftig die üblichen Fehlbeträge produzieren, so glaubt die Bundestags-Grüne Michaele Hustedt, könnte die Mineralölsteuer als „Umweltabgabe“ schnell wiederauferstehen. Der politische Flurschaden solcher ökologischen Gestaltungsattrappen ist enorm. Sie dienen dem Finanzminister ausschließlich als Kassenfüller, während sie zugleich die Idee effektiver Umweltabgaben verschleißen. Eine echte „Ökologisierung des Steuersystems“ wird der Öffentlichkeit immer schwerer vermittelbar.

Waigels filigrane Mechanik der rotierenden Finanzlöcher hat mit einem politischen Reformwerk nichts zu tun. Die „große Steuerreform“ enthält kein Öko-Element, das auf systematischen Wirkungsanalysen beruht, also einer Abschätzung von Umwelteffekten, sobald an der Abgabenschraube gedreht wird.

Im krassen Unterschied dazu sei an ein echtes Reformprojekt erinnert – die ökologische Steuerreform. Sie verknüpft folgende Überlegungen:

– Ressourcenverbrauch wird teurer, Arbeit billiger, Energiesteuern helfen Lohnnebenkosten zu senken.

– Steuersätze, die deutliche Emissionsrückgänge bewirken, werden angekündigt und schrittweise erhöht, um das ökologische Ziele zu erreichen, Jobs zu schaffen und die Umwelttechnologien zu fördern.

– Die ökologische Steuerreform ist sozial ausgewogen und keine Einnahmequelle für staatliche Pleitiers.

Und das könnte sie nach DIW-Berechnungen bringen: Rund 130 Milliarden Mark zum Einsparen unternehmerischer Lohnnebenkosten im zehnten Steuerjahr, eine halbe Million mehr Arbeitsplätze und 30 Prozent weniger klimaschädliche Kohlendioxidemissionen. Dabei würden alle Haushalte unter 4.500 Mark Monatseinkommen entlastet. Dazu als Exportschlager: ein markteffizientes Reformmodell. Sicher, viel Gedanken- und Überzeugungsarbeit wäre nötig. Die Koalitionäre haben es statt dessen lieber mit einer Weisheit aus Theo Waigels Poesiealbum gehalten: „Finanzpolitik heißt den Steuerpfad des geringsten Widerstands gehen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen