■ Ökolumne: Führungsqualität Von Mitsutoshi Hayakawa
Wer sich mit dem Klima beschäftigt, muß die Welt mit neuen Augen ansehen. Die Erwärmung des Klimas verlangt, daß wir unsere Werte und unseren Lebensstil dramatisch verändern. Denn wenn wir so weitermachen wie bisher, drohen Umwelt und Gesellschaft eine Serie von Katastrophen.
Sicherheit ist heute nicht mehr, was sie einmal war. Wir können unsere Zukunft nicht mehr mit einem großen Waffenarsenal verteidigen. Wir können unsere Zukunft und die unserer Kinder nur sichern, indem wir mit dem Klimaschutz anfangen, jetzt.
In Bonn haben die Regierungen der Welt fast zwei Wochen über einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag zum Schutz des Klimas verhandelt. Beschlossen werden soll dieser Vertrag, wenn möglich, in diesem Dezember in Kyoto, in meinem Heimatland Japan. Auf diesem dritten Klimagipfel soll endlich geregelt werden, wer bis wann seinen Ausstoß an klimaschädigendem Kohlendioxid um wieviel Prozent verringern muß. Keine leichte Aufgabe, schließlich haben wir im Norden uns an den Gebrauch von zuviel Energie gewöhnt. Es wird sicher nicht einfach, davon zu lassen. Es braucht Führungsqualitäten.
Führungsqualität, das ist das neue Lieblingswort der japanischen Regierung, die im Dezember Gastgeber des Klimagipfels sein wird. Und tatsächlich wäre es großartig, wenn Japan solche Führungsqualitäten beweisen würde. Doch die japanische Regierung plant nicht etwa ihre Energiepolitik zu verändern, um Führungsqualität zu beweisen. Statt dessen hat sie dem Wort Führungsqualität eine neue Bedeutung gegeben.
Japan ist eines der Länder, das schon seine bisherigen Versprechen zum Klimaschutz wahrscheinlich nicht einhalten kann. Im Jahr 1994 verkündete meine Regierung, daß die Emissionen um 7,2 Prozent höher lagen als 1990. Versprochen hat Japan eine Stabilisierung auf dem Niveau des Jahres 1990. Und bislang gibt es keine Zeichen der Besserung.
Einerseits nennt sich Japan Technologiemacht und hat eine ganze Reihe von Vorschriften zur Förderung erneuerbarer Energien erlassen. Die Statistik aber entlarvt den gespielten ökologischen Ehrgeiz. Gerade ein Prozent des Energieverbrauchs wird heute in Japan solar oder durch Windkraft gedeckt. Führungsqualität ist das wohl nicht. Im vergangenen Jahr gab meine Regierung mit ihren Klimaschutzinvestitionen an: 110 Milliarden Dollar habe man in in den Klimaschutz gesteckt, 15 Prozent des Staatshaushaltes. Genaueres Hinsehen ergab allerdings, daß mehr als drei Viertel davon für den Straßenbau ausgegeben wurden. Begründung des Bauministeriums: Damit würden Staus vermieden und so dem Klimaschutz genützt. Führungsqualität?
In der japanische Regierung streiten sich die Umweltagentur und das mächtige Industrieministerium Miti ständig über den Klimaschutz. Die Umweltagentur, der David in diesem Fall, möchte eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes für die Zeit nach dem Jahr 2000 international festlegen.
Das Miti, der Goliath, ist dagegen. Man könne die japanischen Emission nicht vor dem Jahr 2030 wieder auf den Stand von 1990 bringen, und, o je, selbst dieses anspruchsvolle Ziel sei nur zu erfüllen, wenn man zweieinhalbmal soviel Atomkraft ans Netz lasse wie heute. So buchstabiert das Miti Führungsqualität.
Schlägt man in Wörterbüchern weltweit nach, so bedeutet Führung eigentlich, andere mitzuziehen bei den notwendigen Entscheidungen, wie harsch sie auch sein mögen. Als Gastgeber des Klimagipfels muß Japan im Klimaschutz vorangehen und diejenigen Länder, die noch zweifeln, auf die richtige Seite ziehen.
Das Wörterbuch der japanischen Regierung versteht Führung anders. Da heißt es, Führung sei es, jedermann zufriedenzustellen, bewußt unklar zu bleiben und sein Fähnchen nach dem Wind zu hängen – wenn nötig, auch auf Kosten zukünftiger Generationen und des globalen Ökosystems. Gesucht wird nicht die richtige, sondern die einfache Lösung.
Nichtregierungsorganisationen in Japan und auch anderswo möchten das abstellen. Sie wünschen sich wirkliche Führungsqualitäten von der Regierung in Japan. Dafür haben wir im Dezember in Kyoto das Kiko Forum 97 gegründet, dafür wollen wir in den kommenden Monaten arbeiten. Zur Rettung des Klimas bleibt nicht mehr viel Zeit.
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