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■ ÖkolumneLob für Angela M. Von Philipp Schepelmann

„Maastricht ist nichts anderes als die Antwort Europas auf die Globalisierung“, meinte Theo Waigel unlängst anläßlich der europapolitischen Debatte des Deutschen Bundestages. In der Tat braucht Europa Antworten auf die Globalisierung. Zur Zeit wird der Maastrichter EU-Vertrag von der sogenannten Internationalen Regierungskonferenz neu verhandelt. Die Internationale Regierungskonferenz ist ein guter Anlaß, entschlossene Antworten Europas auf die Herausforderungen der Globalisierung zu formulieren. Beispielsweise stellt sich die Frage, wie die EU-Mitgliedstaaten ihre im Vergleich hohen Sozial- und Umweltstandards vor dem Ausverkauf auf dem Weltmarkt schützen wollen. Ist die Wirtschafts- und Währungsunion überhaupt wettbewerbsfähig? Stellen die Sozial- und Umweltvorschriften der Mitgliedstaaten nicht ein Handelshemmnis dar? Sind sie gar eine Gefahr für den „Standort Europa“?

Liberale wie der Exwirtschaftsminister Helmut Haussmann warnen schon mal vor einem Rückschritt) „in die grüne Idylle“. Die deutschen Sozial- und Umweltstandards auf internationaler Ebene würden zu „Massenarbeitslosigkeit und sozialer Unruhe“ führen. Solche Panikmache zeigt, daß die Antwort Europas auf die Globalisierung darin bestehen könnte, Umweltschutz abzubauen.

Bundesumweltministerin Angela Merkel hingegen hat ihr Kämpferherz für Europa entdeckt. Mit ungewohntem Elan versucht Angela Europa, die Gefahren für die Umwelt, die aus einem entfesselten Binnenmarkt resultieren, zu bekämpfen: mit Absatz IV.

Absatz IV ist eine eigentlich unscheinbare Klausel des Artikels 100 a im Maastrichter Vertrag. Doch die Klausel birgt hochwirksamen Sprengstoff. Sie erlaubt nämlich in definierten Ausnahmefällen, daß einzelne EU-Mitgliedstaaten zum Schutz von Umwelt und Gesundheit strengere Gesetze erlassen. Dem uneingeschränkten Kommerz kann so im Namen von Umwelt und Gesundheit ein Riegel vorgeschoben werden.

Eine solche Ausnahme hat das deutsche Umweltministerium z.B. zum Verbot des Umweltgiftes Pentachlorphenol (PCP) geltend gemacht. Künftig sollen die EU-Mitgliedstaaten durch eine neue Formulierung des Absatzes IV ökologischen Verbraucherschutz leichter praktizieren können.

Merkel und ihre Mitstreiter wollen am kommenden Montag diese Ausweitung erreichen. Dann treffen sich nämlich die Sonderbeauftragten für die Internationale Regierungskonferenz in Brüssel. Und Umwelt steht auch aufgrund des Drucks der Umweltverbände diesmal weit oben auf der Tagesordnung der Diplomaten.

Der ungewohnte Vorstoß der CDU-Politikerin wird von Österreich und den skandinavischen Mitgliedstaaten unterstützt. Die Gegner von mehr Ökologie in Europa sitzen im Nachbarland Frankreich. Merkels Kollegin Corinne Lepage spielt nicht mit bei der deutsch-französischen Umwelt-Entente. Kein Wunder, hatte Frankreich doch ein PCP-Verbot nach diesem Muster mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof zu verhindern gesucht.

Vor allem aber Helmut Haussmanns Parteifreund, der EU-Kommissar Martin Bangemann, tut sich als einer der glühendsten Verteidiger des Binnenmarktes gegen den Umweltschutz hervor. Bangemanns Hausmacht ist ein unentwirrbares Netzwerk aus Brüsseler Eurokraten, Parteifreunden und Industrielobbyisten.

Staaten, die ihre Umwelt strenger schützen wollen, als im Gemeinschaftsrecht vorgesehen, sind ihm ein Dorn im Auge. Sie konnten bislang immer sicher sein, daß Kommissar Bangemann keinen Versuch ausläßt, ihren Umweltschutz als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht zu entlarven. Zum Beispiel, in dem er die Umweltschutzregelungen vor den Europäischen Gerichtshof bringt. Das kann er bislang weitgehend unbehelligt von der Öffentlichkeit tun, weil das weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindet. Die Schriftwechsel zwischen der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten sind nach wie vor geheim.

Die Verhandlungen in Brüssel sind nicht geheim. Das erhöht die Chancen für mehr Umwelt- und Gesundheitsschutz in einer demokratischeren Union. Schließlich hat sogar Merkels Chef, Kanzler Kohl, gesagt, daß die Popularität des gemeinsamen Europas auch von Fortschritten im Umweltschutz abhängt.

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