■ Ökolumne: Wenig Zeit Von Angela Merkel
Niemanden, der sich in Deutschland mit Umweltschutz befaßt, kann das Ergebnis des UN-Gipfels in New York zufriedenstellen. Es gibt aber keine Alternative zum Rio-Folgeprozeß. Umwelt- und entwicklungspolitische Probleme, wie die weltweite Abholzung der Wälder oder der Treibhauseffekt, sind nur über internationale Verhandlungen lösbar. Deutschland hat in diesem Prozeß eine Vorreiterrolle übernommen. Wir sind weltweit eines der wenigen Industrieländer, das die Stabilisierungsziele der Klimarahmenkonvention erreichen wird. Und wir hätten auch gute Chancen gehabt, unsere Verpflichtungen ohne die einheitsbedingten Minderungserfolge zu erfüllen. Schließlich sind die Pro-Kopf-Emissionen an Kohlendioxid auch in Westdeutschland gesunken.
Weltweit gibt es nur wenige so weitreichende Programme für den Klimaschutz. Die Umsetzung des nationalen Klimaschutzprogramms wird ständig überprüft und in Kürze um weitere Maßnahmen ergänzt, damit wir unser nationales Ziel bis zum Jahre 2005 erreichen.
Mit Blick auf die internationalen Verhandlungen ist es nicht sehr hilfreich, wenn fortschrittliche deutsche Positionen innenpolitisch immer wieder mit fadenscheinigen Argumenten niedergemacht werden. Dies schadet der Glaubwürdigkeit umweltpolitischer Anliegen auf internationaler Ebene. Und es hilft auch nicht weiter, wenn die aus meiner Sicht absolut notwendige Waldkonvention von den Umweltverbänden als „Kettensägenkonvention“ diffamiert wird, ohne daß man überhaupt die Inhalte kennt. Mit ihrer Verweigerungshaltung haben sich die Verbände unabsichtlich zu Gehilfen der Waldnutzerlobby gemacht.
Wir müssen den Weg zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung weitergehen, auch wenn sich Fortschritte auf internationaler Ebene nur langsam einstellen. Erste positive Signale wurden in New York deutlich. So sieht das New Yorker Schlußdokument die Entwicklung einer globalen Strategie zum Schutz der Süßwasserressourcen, ein internationales Arbeitsprogramm zu nachhaltigem Tourismus sowie eine Strategie für eine nachhaltige Energiezukunft vor. Auch die gemeinsam von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl mit den Staatschefs aus Südafrika, Brasilien und Singapur angestoßene Initiative zur Gründung einer globalen Umweltschutzorganisation hat ein wichtiges Zeichen für die Lösung des Nord-Süd-Konflikts gesetzt. Deutschland wird in seinen Bemühungen für Fortschritte im Rio-Folgeprozeß nicht nachlassen. Im Jahre 2002 ziehen wir dann erneut Bilanz.
Weniger Zeit verbleibt uns bis zur Aushandlung eines Klimaschutzprotokolls. Im Dezember muß in Kyoto auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention ein entsprechendes Protokoll unterzeichnet werden. Ein weiteres zeitliches Hinausschieben ist nicht akzeptabel. Die Europäische Union setzt sich für eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den Industrieländern um 15 Prozent bis zum Jahre 2010 sowie um mindestens 7,5 Prozent bis zum Jahre 2005 auf der Basis von 1990 ein. Die Verhandlungsposition der EU ist weltweit vorbildlich. In New York hat US-Präsident Clinton der EU zu ihrer Vorreiterrolle gratuliert. Ich interpretiere dieses Signal zunächst als Eingeständnis von Defiziten in der bisherigen amerikanischen Position, gleichzeitig aber auch als Hilferuf an die Europäer, den außenpolitischen Druck auf den amerikanischen Kongreß bis Kyoto aufrechtzuerhalten. Die Ankündigung von Clinton, die amerikanische Seite werde bis Ende des Jahres eine konkrete Reduzierungsverpflichtung vorlegen, stimmt mich vorsichtig optimistisch. Ein positives Bekenntnis der Amerikaner zu einer anspruchsvollen Reduzierungsverpflichtung könnte ein wichtiger Schlüssel für einen Erfolg in Kyoto sein. Denn die beiden anderen bremsenden Industrieländer Australien und Japan würden bei einem Einlenken der USA unter erheblichen Druck geraten. Japan kann sich als Gastland einen Mißerfolg nicht leisten, und auch Australien würde sich in dieser Konstellation als isoliertes Industrieland bewegen müssen. Eines ist sicher: Wenn die Industrieländer sich geschlossen zu weltweiten Reduzierungen der Treibhausgase nach dem Jahr 2000 verpflichten, würde der Widerstand der Entwicklungsländer gegen ein Klimaschutzprotokoll gelockert werden können.
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