■ Ökolumne: Nach Kioto Von Sascha Müller-Kraenner
Es gibt keinen Grund zum Verschnaufen. Zwar gibt es jetzt ein Klimaprotokoll – ein Teilerfolg auf dem Weg zum globalen Klimaschutz. Doch entscheidende Fragen sind noch offen. Die Umweltbewegung muß schon jetzt in die Startblöcke, um mit guten Argumenten gegen Schlupflöcher angehen zu können, die das Protokoll verwässern würden.
So wollen die US- Amerikaner und ihre klimapolitischen Alliierten die Erlaubnis, die eigenen Reduktionsverpflichtungen durch den Erwerb handelbarer Emissionsrechte, die Anrechnung von Gutschriften für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern (Joint Implementation) und die Aufrechnung von Emissionen gegen die CO2-Bindung in Wäldern (Senken) erfüllen zu dürfen. Der Teufel steckt in den Details – und die werden auf dem nächsten UN-Klimagipfel November 1998 in Buenos Aires ausgehandelt.
Ideologische Scheingefechte sind dabei fehl am Platz. Sowohl der Handel mit Emissionsrechten als auch Joint Implementation sind volkswirtschaftlich vernünftige Ideen. Der theoretische Charme, der beiden Instrumenten anhaftet, verfliegt aber schnell, wenn es an die praktische Umsetzung geht. Beide Instrumente lassen genug Schlupflöcher, sich vor Klimaschutz im eigenen Land zu drücken.
Der Grundgedanke der handelbaren Emissionsrechte liegt darin, ein umweltpolitisches Ziel politisch zu definieren und die zu seiner Erreichung notwendige wirtschaftliche Umstrukturierung den Kräften des Marktes zu überlassen. Problematisch wird dieser Handel, wenn sich Länder so von eigenen Maßnahmen komplett freikaufen können. So könnten die USA in Rußland Emissionsrechte billig erwerben, die dort nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch seit 1990 nicht mehr voll ausgeschöpft werden. Sinnvoll ist deswegen eine Obergrenze für diesen Handel, so daß jede Nation auch im eigenen Land etwas tun muß.
Ungeklärt ist bisher auch, wie die Fälschung von Emissionszertifikaten, hinter denen keine realen Klimaschutzanstrengungen stehen, verhindert werden kann und wer im Betrugsfall zu haften hat. Wenn, wie von den USA vorgeschlagen, auch Privatunternehmen sich am internationalen Emissionsrechtehandel beteiligen sollen, muß garantiert werden, daß in letzter Konsequenz doch die Regierungen für die Einhaltung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen einstehen müssen.
Es nützt den Umweltverbänden daher nichts, solchen Handel einfach zu verdammen. Vielmehr sollten die Umweltverbände offensiv Regeln entwickeln und vertreten, die den Handel mit Emissionsrechten transparent und demokratisch kontrollierbar machen.
Über das Instrument der gemeinsamen Umsetzung (Joint Implementation) gab es in Kioto eine grundsätzliche Einigung. Die Idee dabei ist, daß Staaten und Unternehmen sich für Klimaschutzprojekte im Ausland Gutschriften für ihre Pflichten zu Hause erteilen lassen können. Dahinter steckt die Philosophie, daß in weniger entwickelten Ländern oft viel billiger CO2 vermindert werden kann als in den großen Industriestaaten. Es muß aber verhindert werden, daß sich Konzerne bei ganz normalen Auslandsinvestitionen, die ohne klimapolitische Motivationen getätigt wurden, etwas gutschreiben lassen können. Um solche Mitnahmeeffekte zu vermeiden, sollten die Umweltverbände im Norden und Süden jedes Joint-Implementation-Projekt genau auf seinen Nutzen fürs Klima überprüfen.
Auch gegen die Anrechnung von CO2-Senken, etwa durch den Erhalt und die Neuschaffung von Wäldern, kann die Umweltbewegung im Prinzip nichts haben. Für Waldschutz spricht sowieso genug, die CO2-Bindung ist ein erfreulicher Zusatzeffekt. Das Problem ist: Sie läßt sich nicht genau messen, und die Rolle des Bodens bleibt meist unberücksichtigt. Studien in der sibirischen Taiga haben ergeben, daß durch Aufforstung mehr klimaschädliches Methan und CO2 aus den Böden freigesetzt wurde als in den Bäumen gebunden. Außerdem bleibt das CO2 nur dann auf Dauer in den Wäldern gebunden, wenn diese wirkungsvoll vor Abholzung, Brandrodung und Luftschadstoffen geschützt werden. Deswegen sollten vorerst CO2-Senken bei der Erfüllung des Kioto-Protokolls keine Rolle spielen dürfen. Statt dessen muß sich die Umweltbewegung für ein globales Waldschutzabkommen einsetzen, das sowohl das Klima als auch die Natur schützt.
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