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■ ÖkolumneRot-Grün am Grubenrand Von Achim Schneider

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen mißbrauchen die heilige Sache des Umweltschutzes, um sich vor einer politischen Entscheidung zu drücken. Das 53. Wassergutachten wird nicht anders als 52 bisherige.

Zehn Kilometer neben Garzweiler liegt Hambach, der tiefste Braunkohlentagebau der Welt. Um den Absenkungstrichter der Grube trocken zu halten, werden täglich eine Milliarde Kubikmeter Wasser weggepumpt. Ist seine Trichterböschung so flach, wie einige Wassergutachter sagen, dann müßte Garzweiler im trockenen Hambacher Trichter liegen. Sind die Trichter so steil, wie andere behaupten, dann kann er den Naturpark Maas-Schwalm-Nette nie erreichen; dieser Logik entgeht auch das 53. Gutachten nicht.

Für die Rheinbraun AG und RWE hat Garzweiler II einen ganz anderen Sinn: Mit dem Abraum aus der neuen Grube soll das alte Loch Garzweiler I gefüllt werden. So lassen sich Hunderte von Millionen Mark, die für das Auffüllen der 250 Meter tiefen Grube Garzweiler I bereits steuersparend zurückgestellt worden sind, den Aktionären als Gewinn zuschanzen. Zum Geldregen kommt Konfliktvermeidung: In Garzweiler I darf aus Wassergründen kein Restloch bleiben. Auf dem zum Zufüllen benötigten Aushub von Garzweiler I wurden Wanderwege angelegt, und Biotope sind entstanden. Wer die Abraumhalden jetzt noch wegbaggern will, dem steht Ärger ins Haus: Bürgerinitiativen, die sich ihre Spazierwege nicht nehmen lassen, Naturschützer, die Biotope retten wollen, Baumfreunde, die sich an 40 Jahre alte Bäume ketten.

Dabei entlarven sich die Behauptungen von Rheinbraun und SPD-Wirtschaftsminister Clement, durch Garzweiler II würden Arbeitsplätze entstehen, als schief. Um mit dem größten Schaufelradbagger der Welt jeden Tag 500.000 Tonnen Deckgebirge auf drei Meter breite und vier Kilometer lange Förderbänder zu laden und in das alte Loch Garzweiler I zu kippen, werden keine 100 Leute benötigt. Mehr als 1.000 Arbeitsplätze würde es bringen, Garzweiler I mit seinem eigenen Abraum zu füllen.

Die Industrie am Rhein von Wesseling bei Leverkusen bis Duisburg wird auch in 20 Jahren mehr Strom brauchen, als bei aller Anstrengung alternativ gewonnen werden kann. Woher nehmen? Vor 50 Jahren haben wir als Studenten des Bergfachs an der Technischen Hochschule Aachen gelernt, daß es Blödsinn ist, im Rheinland in 500 Meter Tiefe nach Kohle zu baggern, weil 30 Meter unter der Oberfläche der Lausitz jede Menge Braunkohle herumliegt. Heute denkt am Rhein keiner in gesamtdeutscher Dimension, weder RWE, SPD noch Umweltministerin Bärbel Höhn. Volkswirtschaftlich ist es Wahnsinn, fruchtbaren Lößboden und eine dichtbesiedelte Kulturlandschaft für ein Loch zu opfern und 7.500 Menschen die Heimat zu nehmen – das sind drei Umzusiedelnde für jeden Arbeitsplatz, der in 20 Jahren entstehen soll. In der Lausitz ist ein Drittel der Bergleute arbeitslos. Und die Lausitzer Braunkohlengruben gehören Rheinbraun.

Jahrelang waren wir Opfer der Konzerne, die Erdgas als besonders umweltfreundlich anpreisen. Doch seit Kioto spricht sich herum, daß wir Braunkohle als den am wenigsten schmutzigen fossilen Brennstoff betrachten müssen. Denn das CH4 des Erdgases ist vor dem Verbrennen klimaschädlicher als das CO2 danach. Auf dem Weg von der Förderung bis zum Kraftwerk gehen durchschnittlich 1,5 Prozent des Erdgases verloren. Für Sibirien, wo das meiste Gas herkommt, rechnen Fachleute sogar mit Leitungsverlusten von bis zu 5 Prozent.

Jede Mark, die Rheinbraun nach dem genehmigten Rahmenbetriebsplan für Garzweiler II ausgibt, muß das Land NRW ersetzen, falls sich Bärbel Höhn entscheidet, die wasserrechtliche Genehmigung nicht zu erteilen. So teuer sollte man eine Koalition nicht werden lassen. Die Frage ist, ob Strom aus der Lausitz statt aus der rheinischen Bucht kommen soll und ob Rheinbraun einen außerordentlichen Gewinn erwirtschaften darf. Darüber, und nicht über Umweltfragen, muß entschieden werden. Zu viele Funktionäre der SPD stehen auf den Honorarlisten der RWE; ihre Position ist klar. Von den Grünen wird eine politische Entscheidung verlangt. Vergeßt das Wasser!

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