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ÖkolumneDie Energiewende hat schon begonnen

■ Im künftigen freien Strommarkt können Kunden Ökostrom erzwingen

Dazu trägt, kurioserweise, das neue Energiewirtschaftsgesetz bei, das Ende April seinen Vorgänger von 1935 ablöste. Obwohl die Bonner Koalition entgegen aller Vernunft in dem neuen Gesetz den erneuerbaren Energien keinen Vorrang einräumte, zeigt sich nun, daß der Öko-Strom von dem neuen Gesetz profitieren wird. Denn plötzlich regiert der Markt: Die Kunden können den Strom kaufen, den sie wünschen – die Stromversorger müssen auf ihr Image achten, damit sie ihre Kunden nicht verlieren. Wer in den Stromunternehmen nur etwas Ahnung von Marketing hat, erkennt, daß das beste Werbeargument ein Engagement in erneuerbare Energien ist. Und genau deshalb werden Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse bald prächtig gedeihen.

Schon jetzt zeigt sich dieser Trend. Aufgewühlt wurde die Branche im April von der Naturstrom AG. Umweltorganisationen wie Eurosolar und Naturschutzbund Nabu hoben den „grünen Stromversorger“ aus der Taufe. Von 1999 an wird sie ihre Kunden ausschließlich mit sauberen Strom versorgen. Wer gegen Atomstrom und Castor-Transporte ist, wird dann seinem alten Stromversorger adieu sagen. Und da das neue Energiewirtschaftsgesetz es selbst dem kleinsten Stromkunden gestattet, seinen Versorger zu wechseln, sind die Stromkonzerne alarmiert.

Die ersten haben bereits reagiert. Die Kraftübertragungswerke Rheinfelden (KWR) und das Kraftwerk Laufenburg (KWL), zwei Stromversorger am Hochrhein, haben vor wenigen Wochen eine gemeinsame Tochter gegründet, die NaturEnergie AG. Auch dieses Unternehmen wird seine Kunden ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien beliefern. KWR/KWL haben verstanden: Bevor die ökologisch orientierten Kunden zur Konkurrenz wechseln, fängt man sie doch lieber mit einer eigenen Öko-Tochter auf.

Zumindest die KWR tun gut daran, ihr Öko-Image zu liften. Sie waren es, die vor Jahren durch ihre Sturköpfigkeit die Schönauer Stromrebellen stark machten. Sie waren es, die 1995 einem kleinen Betreiber von Wasserkraftwerken die Einspeisevergütung gesetzeswidrig reduzierten. Und das nur, um das Stromeinspeisegesetz bis vor das Verfassungsgericht zu zerren – wo die KWR kläglich scheiterten. Sie waren es auch, die vor zwei Jahren in der regionalen Tageszeitung großformatig warben: „Heizen mit Strom – mit gutem Gewissen“. Obwohl der Ton in Rheinfelden moderater geworden ist, ist das Hardliner-Image geblieben – fatal im freien Markt.

Auch das Image der Branchenriesen wie RWE und PreussenElektra ist nicht gerade gut. Auch sie werden ihr Image polieren müssen. Man kann davon ausgehen, daß noch in diesem Jahr weitere „grüne Stromversorger“ antreten werden.

So wird die Logik des Marktes die Energiewende vorantreiben, obwohl das neue Energiewirtschaftsgesetz nicht mehr ist als ein Bündel verpaßter Chancen. Statt zukunftsweisend die erneuerbaren Energien voranzutreiben, lieferte die Bundesregierung nur einen Abklatsch ihrer verfehlten Energiepolitik der Vergangenheit. Herausreden gilt nicht: Die EU hätte eine aktive Förderung von Sonne, Wind und Wasser widerspruchslos akzeptiert. Entsprechend haben SPD und Grüne bereits erklärt, nach einem Regierungswechsel im Herbst das Gesetz nachzubessern.

Bis dahin muß der Markt alleine wirken. Durch umweltbewußte Kunden, die erstmals nicht mehr zum Bezug von Atomstrom gezwungen sind, wird ein beträchtliches Marktpotential für Sonne, Wind und Wasserkraft entstehen. Die NaturEnergie AG zum Beispiel rechnet damit, in Zukunft allein in Baden-Württemberg pro Jahr etwa ein Megawatt Photovoltaik neu installieren zu müssen, um die Nachfrage decken zu können. Damit ist die Energiewende losgetreten worden wie eine Lawine, und jeder Stromkunde kann mittreten, indem er seinem betonköpfigen Atomstromlieferanten den Laufpaß gibt. Faszinierende Perspektiven: Erstmals ist den Stromkunden eine Sprache gegeben, die die Atomstromer verstehen. Bernward Janzing

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