■ Ökolumne: Zurück zur Rolle des Öko-Vorreiters i Umweltdiplomatie muß endlich Bestandteil der Außenpolitik werden
Seitdem der deutsche Film die Zuschauer in Scharen aus den Kinos und Bundesberti die Fußballfans zur Verzweiflung treibt, sind wir Deutschen nur noch auf einem Gebiet Weltmeister – im Umweltschutz. Selbst eingefleischte Rot-Grün-Wähler haben sich inzwischen die Unsitte angewöhnt, von einer deutschen Vorreiterrolle zu sprechen. Obwohl dieses von der regierungsamtlichen Propaganda eifrig geschürte Vorurteil durch zahlreiche Negativbeispiele widerlegt werden kann, enthält es einen wahren Kern.
Deutschland hatte trotz eklatanter Defizite in der heimischen Umweltpolitik eine gute Tradition als Öko-Vorreiter auf internationalen Konferenzen begründet. An diese Tradition läßt sich anknüpfen. Voraussetzung für den Erfolg deutscher Umweltdiplomatie ist aber zweierlei: eine ökologische Modernisierung im eigenen Land und eine bessere Verknüpfung des Umweltschutzes mit der Außenpolitik.
Zurück zur Rolle des Öko-Vorreiters Umweltdiplomatie muß endlich Bestandteil der Außenpolitik werden
Die USA haben die Umweltdiplomatie bereits fest in ihrer Außenpolitik verankert: In einer Reihe von Botschaften, vor allem in der Dritten Welt, richteten sie sogenannte „Environmental Hubs“ ein; diese regionalen Umweltzentren sollen rechtzeitig vor ökologischen Krisen warnen. Deutschland beschäftigt lediglich in der Brüsseler EU-Vertretung einen Umweltattaché. Reichlich wenig, wenn man bedenkt, daß gut die Hälfte aller in Deutschland geltenden Umweltgesetze auf europäischen Richtlinien beruhen.
Wie sehr die umweltpolitische Expertise in den deutschen Botschaften fehlen kann, demonstrierte der vergangene Klimagipfel in Kioto. Die Bundesregierung war bis zuletzt weder ausreichend informiert über die Verhandlungsposition der USA noch über den wachsenden Zorn der großen Staaten des Südens – wie Indien und China –, die sich von den zentralen Verhandlungen um das Klimaschutzprotokoll ausgeschlossen fühlten. Im Ergebnis wurde in Kioto auf Wunsch der USA der Handel mit Verschmutzungsrechten erlaubt, dessen aushöhlende Konsequenzen für das Klimaprotokoll die Europäer erst langsam begreifen. Dabei waren die Positionen bekannt und wurden etwa unter den internationalen Umwelt- und Entwicklungsverbänden lange vor Kioto intensiv diskutiert. Auch eine enge Kooperation mit der Vielzahl nichtstaatlicher Akteure – das zeigt dieses Beispiel – ist inzwischen Bedingung für diplomatischen Erfolg.
Selbst wenn die deutsche Diplomatie einmal geschickt Personalpolitik macht und den ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer auf den Posten des Chefs des UN-Umweltprogrammes hievt, bleibt das ohne große Konsequenzen. Der Prophet Töpfer gilt nichts im eigenen Land: Seine Parole, statt auf Blauhelme lieber rechtzeitig auf „Grünhelme“ zur Bekämpfung ökologischer Krisen – wie der Waldbrände in Indonesien – zu setzen, wurde von den Bonner Chefstrategen Klaus Kinkel und Volker Rühe ignoriert.
Die Aufwertung der Umweltdiplomatie zum zentralen Feld der Außenpolitik darf aber nicht dazu führen, daß die Umweltpolitik lediglich für wirtschafts- und sicherheitspolitische Interessen mißbraucht wird. In den USA wird schon seit einigen Jahren über Umwelt und Sicherheit diskutiert. Diese Debatte hat dazu geführt, den traditionellen, militärisch geprägten Sicherheitsbegriff um wirtschafts- und umweltpolitische Beweggründe zu erweitern. Teilweise führt das zu einer Zivilisierung der Außenpolitik. Das ist gut. Oft versuchen die Verteidigungspolitiker aber auch, sich mit der Beschwörung ökologischer Konflikte neue Arbeitsfelder und eine frische Legitimation zu verschaffen.
Die internationale Umweltdiplomatie muß sich auch dagegen wehren, ausschließlich in den Dienst der Exportförderung gestellt zu werden. So versuchen die USA über den Klimaschutz neue Märkte für ihre Energiekonzerne in der Dritten Welt abzusichern. Und die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt nutzt die USA-Regierung, um die Verwertungsinteressen ihrer Biotech-Industrie am weltweiten Genpool zu sichern. Umweltpolitik muß aber ihre Eigenberechtigung jenseits wirtschaftlicher Interessen verteidigen.
Deutschland hat sich von seiner Rolle als Öko-Vorreiter verabschiedet. Es verliert seitdem nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern auch Exportmärkte für Umwelttechnik und Innovationschancen für die eigene Wirtschaft. Die künftige Bundesregierung täte gut daran, diesen Trend umzukehren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen