Ökolumne: Die Drei-Liter-Mogelpackung
■ Die Hersteller putzen lediglich ein paar Kleinstwagen spritsparend heraus
Seit Jahren sprechen die Bundesregierung, Umweltverbände und Autoindustrie über das Drei-Liter-Auto, das vor der Tür stehe. Dieses „Öko-Auto“ soll endlich die Trendwende in der Abgasentwicklung einläuten. Anläßlich der bevorstehenden Automobilausstellungen haben derartige Ankündigungen wieder Konjunktur: So erklärte VW-Chef Ferdinand Piäch diese Woche, er wolle ein Dreilitermodell auf Grundlage des neuen Kleinwagens Lupo herausbringen.
Mit Verlaub: Diese Drei-Liter-Autos fahren in mehrfacher Hinsicht in eine Sackgasse. Erstens: Auf Kleinwagen entfällt nur ein geringer Teil der Gesamtfahrleistung; ein paar sparsame Minimodelle beeinflussen die gesamte Abgasbilanz nur unwesentlich. Zweitens: Diese Autos werden mit horrenden Aufpreisen kaum nennenswerte Anteile an den jeweiligen Modellreihen erringen können. Laut einem Bericht der Braunschweiger Zeitung etwa soll der Drei-Liter- VW-Lupo ein Drittel mehr kosten als die normale Variante. So aber rechnet sich der Mehrpreis wegen der relativ niedrigen Spritpreise nicht. Drittens: Solange Sparmodelle nur als Zweit- oder Drittfahrzeuge im Stadtverkehr beworben werden, erhöhen sie nur das Verkehrsaufkommen, konkurrieren mit Bus und Bahn. Und schließlich viertens: Die neuen Modelle kommen als Diesel, die pro verbrauchten Liter Sprit mehr Schadstoffe ausstoßen als Benziner. Diesel-Pkw sind weltweit praktisch nicht abzusetzen – außer in einigen europäischen Ländern wie Deutschland, wo auf Diesel unverdienterweise weniger Mineralölsteuer erhoben wird als auf Benzin.
Einige Nischenprodukte verbrauchsmäßig herauszuputzen, während in der Modellpalette insgesamt das PS-Rennen weiterfährt, ist eine recht dünne Antwort auf die globale Herausforderung zum sparsamen Umgang mit fossilen Energien und zum Klimaschutz. Dringlich ist es dagegen, in der meistverkauften Mittelklasse sowie bei den Oberklassefahrzeugen den Spritverbrauch zu halbieren. Technisch ist das schon möglich. Nötig ist auch ein Fahrplan für die kommenden Jahre: Keine neuen Modelle mit mehr als 5 Liter Normverbrauch ab 2000; ab etwa 2010 sollte der Mittelwert aller verkauften Autos höchstens 2 bis 2,5 Liter betragen – etwa um den Faktor Vier weniger als heute. Langfristiges Ziel: Das Ein-Liter-Auto. Es würde dann allerdings anders ausgelegt sein müssen als die heutigen „Rennreisepanzer“ – die Technologien sind im Grundsatz bereits vorhanden. Was fehlt, sind Marktanreize für die ernsthaften Serienentwicklungen.
Die vollen Auftragsbücher verklären den Blick im „Standort Deutschland“ auf die kommenden Jahrzehnte. Wenn sich die Autokonjunktur wieder gelegt hat, wird die Frage dringlicher werden, welche Autos auf dem Weltmarkt noch abzusetzen sind. Von Luxusprodukten wie Rolls-Royce oder Maybach wird die Branche genausowenig leben können wie von Stadtautos; von den heutigen Modellen mit acht bis zehn Liter Verbrauch ebenfalls nicht mehr.
Die Meilensteine sind bereits von US-amerikanischen und japanischen Herstellern gesetzt worden. Ab 2005 sollen nach dem US-Programm „Partnership for a New Generation of Vehicles“ fünf- bis sechssitzige Familienautos mit weniger als 2,9 Liter Verbrauch serienreif sein. Die drei großen Hersteller und die US-Regierung haben die Entwicklung vor drei Jahren mit Milliardensummen angeschoben. Motivation für diesen Kraftakt ist nun keineswegs der Umweltschutz, sondern die Sorge um die internationale Wettbewerbsfähigkeit – folgerichtig leitet das Department of Commerce das Projekt.
Die großen Verbraucherländer werden sich nicht auf ewig mit militärischen Mitteln billigen Ölnachschub sichern können. Längerfristig wichtigstes Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit auch der deutschen Automobilindustrie wird der sparsame Umgang mit Rohstoffen sein. Wer sich von dem gegenwärtigen Nachfrageboom und vom billigen Öl einschläfern läßt und die Umsetzung von Energiespartechnologien vernachlässigt, wird in der nächsten Krise unsanft geweckt werden. Die Drei-Liter-Ankündigungen der deutschen Autoindustrie können da nicht befriedigen – es fehlt das überzeugende Gesamtkonzept. Rudolf Petersen
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