Ökolumne: Neue Umweltpolitik mit neuen Strukturen
■ Das Umweltministerium muß seinen Kompetenzbereich ausweiten
Merkelsche Umweltpolitik ist Geschichte – jetzt besteht die Chance zum Neuanfang. Doch Vorsicht. Rot-grüne Umweltpolitik ist mit einer veränderten Struktur ökologischer Problemlagen konfrontiert: Waren die Umweltgefährdungen der 70er und 80er Jahre, insbesondere die Luft- und Wasserverschmutzung, wahrnehmbar und politisierbar, sind die großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimaveränderungen, Ozonloch und Artenschwund – kaum sichtbar und von eher globaler Natur. Beim ungebremsten Verkehrswachstum kommen Hürden psychosozialer Natur dazu.
Für Rot-Grün muß es um eine strategische und administrative Neuorientierung staatlicher Umweltpolitik gehen. Das Bundesumweltministerium (BMU) ist eine Fehlkonstruktion. Als es nach der Tschernobyl-Katastrophe 1986 hastig aus der Taufe gehoben wurde, blieben die umweltschädlichen Ressorts Wirtschaft, Verkehr, Energie, Landwirtschaft und Bauen nahezu unverändert bestehen. Für den öffentlichen Nahverkehr war bislang Herr Wissmann zuständig, erneuerbare Energien sollte Günter Rexrodt fördern, ein neues Bundesnaturschutzgesetz war auf den Goodwill von Herrn Borchert angewiesen. Gerade in einer Zeit, in der Umweltpolitik keine Konjunktur hat, muß sich das BMU bei einem solchen Zuschnitt immer wieder die Zähne ausbeißen.
Es sollte daher nicht länger allein als Reparaturbetrieb fungieren, sondern mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet werden, in erster Linie mit dem Energiebereich. Auch die Zuständigkeiten für die Gentechnik (bisher Gesundheitsministerium) sowie die Umwelt- und Energieforschung (bislang bei Herrn Rüttgers) wären ebenso wie der wichtige Bereich der Raumordnung im BMU gut aufgehoben.
Eine Kernforderung ist ein Vetorecht für den Umweltminister, um in finanzpolitischen Fragen sowie in Arbeitsbereichen des Innen- und Justizministeriums umweltschädliche Projekte und Subventionen stoppen zu können. Ohne solche Neuerungen bleiben auch die besten Umbau-Konzepte letztlich an administrativen Hürden hängen.
Wenn zudem, wie geplant, das BMU in Bonn bleibt, andere Schlüsselministerien aber nach Berlin gehen, ist ein Bedeutungsverlust des Umweltministeriums vorprogrammiert. Während die einen sich auf dem kurzen Dienstweg und in Hintergrundgesprächen abstimmen oder einfach nur beim Mittagessen näherkommen, sitzen die anderen geschwächt in der Ferne.
Neben diesen administrativen sind zwei strategische Neuorientierungen wichtig: erstens eine Ökologisierung des Steuersystems. Der Trend der bisherigen anti-ökologischen Steuerreform – Arbeit wurde immer teurer, der Umweltverbrauch immer billiger – muß umgekehrt werden. Dazu reicht es nicht aus, den Spritpreis um sechs Pfennig zu verteuern.
Mit einer ökologischen Steuerreform bekommt der Fortschritt einen neuen Richtungssinn. Nicht länger die Arbeits-, sondern die Ressourcenproduktivität soll gesteigert werden; nicht mehr Menschen, sondern Kilowattstunden werden arbeitslos. Die Zuständigkeit für eine ökologische Steuerreform sollte zumindest teilweise im BMU liegen, wo man dem Projekt mit mehr Aufgeschlossenheit als im traditionell konservativen Finanzministerium begegnen dürfte.
Zweites wesentliches Projekt ist ein nationaler Umweltplan. Danach werden langfristige staatliche Umweltziele festgelegt, die verbindlich einzuhalten sind. Davon profitieren insbesondere Gebiete schleichender Umweltverschlechterungen, beispielsweise der Bodenschutz. Zwei Drittel aller Industrieländer verfügen über solche Pläne. Deutschland bislang nicht. Danyel Reiche, Carsten Krebs
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