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Öko-Vorzeigedorf in NiedersachsenAmerikaner spicken in Jühnde

Ein Dorf in Niedersachsen wird zum Öko-Vorbild für die Welt: Auch die US-Kleinstadt Reynolds will ihre Energie selbst herstellen und möchte vom deutschen Jühnde lernen

Autark dank Kuhmist: Öko-Vorzeigdorf Jühnde Bild: dpa

BERLIN taz In Reynolds, Indiana, leben 547 Menschen und 150.000 Schweine. Es gibt keinen Supermarkt und keine Highschool. Besucher sagen, es rieche nach Schweinemist.

Doch Reynolds ist eine der fortschrittlichsten Städte der USA. Denn die Gemeinde will zum grünen Vorzeigestädtchen der Amerikaner werden und sich als erste Stadt Nordamerikas komplett selbst mit Energie versorgen. Daher ist der Agrardirektor von Indiana jetzt mit einer zwölfköpfigen Delegation nach Jühnde in Niedersachsen gekommen - zum Spicken. Denn Jühnde war die erste energieautarke Gemeinde Deutschlands.

Hier leben 770 Menschen und rund 450 Kühe. Letztere spielen bei dem Energieplan des Dorfes ein große Rolle: Die Kühe produzieren gemeinsam mit einigen Schweinen 9.000 Kubikmeter Gülle im Jahr, damit könnte man drei olympische Schwimmbecken füllen - oder die Gemeinde mit Energie versorgen: Zusammen mit Pflanzenresten, die den Großteil der Energie liefern, wird der Kuhmist in einer Biogasanlage vergoren und in Strom und Wärme verwandelt. Die Wärme wird über 80 Grad warmes Wasser in die 140 Häuser der Ortes transportiert.

2.500 Euro zahlt jeder Haushalt, um Mitglied der Biodorf-Genossenschaft zu werden. "Dafür kostet die Bioheizung etwa 400 bis 500 Euro im Jahr weniger als eine normale Gasheizung", sagt Reinhard von Werder. Er ist im Vorstand der Betreiber-Genossenschaft, der die Anlagen gehört. 70 Prozent der Bürger sind mittlerweile am Projekt beteiligt. "Seit zwei Jahren versorgen wird uns komplett selbst", erzählt von Werder. Die Gemeinde produziert sogar dreimal mehr Strom, als sie selbst verbraucht.

Von der grünen Energie profitiert auch die lokale Wirtschaft: Das Geld, das früher an die Öl- und Gasfirmen geflossen ist, bleibt in der Region. "Vorher war Jühnde ein normales Dorf. Jetzt kommen 8.000 Leute im Jahr, um sich über unser Projekt zu informieren", sagt von Werder. Nächste Woche kommen fünf Interessierte aus China. Jetzt ist die Delegation aus Reynolds da.

Während hinter dem Projekt in Jühnde vor allem ökologisch orientierter Pioniergeist steckt, wird das amerikanische Biodorf eher von wirtschaftlichen Sorgen getrieben: Die junge Generation flieht in die größeren Städte, der Grundschule gehen die Kinder aus. Die neuen Bioenergieanlagen sollen die Energiepreise senken, das lockt die Firmen an, schafft Arbeitsplätze und Perspektiven für junge Leute. So der Plan. Außerdem wären die Biogasanlagen ein billige Lösung, den Mist der Schweine und das Abwasser der Menschen preisgünstig zu entsorgen und sogar Energie damit zu gewinnen. Denn die Erlaubnis, das Abwasser in eine Jauchegrube zu leiten, läuft aus. Eine Kläranlage kann sich das Dorf nicht leisten. Und ähnlich wie in Jühnde sollen die Biogasanlage auch in Reynolds Besucher anziehen.

Die Stadt will zeigen, dass erneuerbare Energie aus Mist verlässlich und sicher ist. Bislang, so schreibt die US-Zeitschrift Energybusiness, allerdings nicht geruchslos. Die Einheimischen scheint es nicht zu stören.

NICOLE BASEL

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