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»Öko-Overkill«

■ Städtebauliches Projekt an Lehrter Straße von Blechlawine bedroht/ Forderung nach Stadtverträglichkeitsprüfung

Moabit. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nahmen gestern der Tiergartener Baustadtrat Porath (SPD) und die Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. gegen den im Bereich Lehrter Straße geplanten Zentralbahnhof und Autotunnel Stellung. Beide Vorhaben stehen im Gegensatz zu den Bezirksplänen, auf dem Areal des historischen Zellengefängnisses Moabit den Bau einer Grundschule sowie ein Geschichtsforum nebst Stadtpark zu verwirklichen.

»Die Interessen des Bezirks landen einmal mehr auf dem Abstellgleis«, ärgert sich Porath. In nur zwei Jahren Planungszeit hatte die Bezirksverwaltung in Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsträger S.T.E.R.N. ein städtebauliches Konzept erarbeitet, das der historischen Bedeutung des Zellengefängnisses ebenso Rechnung trägt wie dem dringend benötigten Bedarf nach Grundschulplätzen in Moabit. Der Standort im südlichen Teil der Lehrter Straße war damals in Abstimmung mit der Senatsbau- und Umweltverwaltung gewählt worden, weil die Reichsbahn die Fläche im Mittelteil der Straße dem Bezirk nicht zur Verfügung gestellt hatte. Mit der Senatsentscheidung für das sogenannte »Pilzmodell« im Schienenverkehr und der Aufnahme des geplanten Zentralbahnhofs und Tiergartentunnels in den Bonner Verkehrswegeplan seien diese Planungen nun akut gefährdet, kritisierte J. Schweinberger von S.T.E.R.N. Sowohl die Bundesregierung als auch der Berliner Senat hätten eine politische Entscheidung in Kenntnis der bezirklichen Probleme getroffen. »Es besteht die Gefahr, daß die beiden neuen wirtschaftlichen Impulsgeber, Regierungsviertel und Zentralbahnhof, zu einem ökonomischen Overkill mit unbezahlbaren Bodenpreisen und Mieten führen werden«, befürchten S.T.E.R.N. und Bezirk. Die eigens gegründete »Projektgesellschaft für Verkehrsanlagen im zentralen Bereich« favorisiere eine Konzentration privatwirtschaftlicher Nutzung als städtebaulich bestimmendes Element. Der Verdrängungsprozeß für die nähere Wohnbevölkerung sei damit vorprogrammiert. Darüber hinaus drohe der Bezirk nach den Worten Poraths im Stau zu ersticken.

Den jetzigen Stand der Senatsplanung will man jedenfalls nicht ohne weiteres hinnehmen. Gefordert wird eine Beteiligung der Betroffenen sowie die ausstehende Stadtverträglichkeitsprüfung für den Bahnhof und den Straßentunnel. Am 17.10. hatte sich auch Landeskonservator Engel eingeschaltet und das Gelände des Zellengefängnisses unter Denkmalschutz gestellt. Uwe Rada

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