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Öko-Designer Miguel Adrover"Ich hasse Karl Lagerfeld"

Der Designer Miguel Adrover war Liebling der New Yorker Mode-Szene. Jetzt ist er Kreativchef des Naturtextilpioniers hessnatur und sucht die "Schönheit der Wirklichkeit".

Karl Lagerfeld bei der Paris Fashion Week. Bild: dpa

Der mallorquinische Kleidungsdesigner Miguel Adrover lehnt den Begriff "Mode" als überholt und nichtssagend ab. "Mode ist nur ein dummes Wort, das nichts beschreibt. Oder nur Oberflächlichkeit", sagte er im Gespräch mit der sonntaz. Auch das Wort "Glamour" hasse er. "Glamour, Mode, all diese Worte: Am Ende kommt aus diesen Worten immer Leere heraus."

Er selbst mache keine Mode, sondern Kleidung. Massenmode sei "zum Wegschmeißen" gemacht. "Billig produziert, von niedriger Qualität, vergiftet unsere Böden, zu Hungerlöhnen hergestellt. Die Stücke halten nicht länger als drei Monate, entweder weil sie dann nicht mehr Mode sind oder weil die Qualität so schlecht ist."

Adrover fordert die Textil- und Modebranche auf, ihr Denken und ihre Produktion radikal zu verändern und nachhaltig zu werden. Miguel Adrover, 44, war ein Stardesigner in New York. Nach dem Rückzug seines Geldgebers Pegasus Apparel Group in der Folge von 9/11 zog er sich 2005 in seine Heimat Mallorca zurück.

Bild: taz

Das Interview finden Sie, zusammen mit vielen anderen spannenden Texten, in der aktuellen sonntaz vom 29./30. Mai.

Dort arbeitet er seit 2007 als Creative Director des deutschen Naturtextilpioniers hessnatur. Das Unternehmen hat transparente soziale Standards in der gesamten Produktionskette und benutzt nur Naturtextilien aus zertifizierter Biobaumwolle und anderen Naturfasern.

Den Vorwurf, dass die sogenannte "Grüne Mode" häufig nicht eben sexy sei, mag Adrover nicht gelten lassen. "Da sage ich Ihnen mal, was nicht sexy ist: Kleidung, die man nicht mit gutem Gewissen anziehen kann. Es gibt keine Schönheit ohne Verantwortung." Im übrigen: "Wer glaubt, dass Paris Hilton sexy ist, soll besser nochmal nachdenken."

Für Chanel, Prada, Dior, Gucci und Karl Lagerfeld hat er nichts übrig. "Ich hasse Lagerfeld", sagt er, "und ich hasse Chanel". Er respektiere die Lebensleistung von Coco Chanel: "Aber ich glaube nicht, dass Chanel etwas machte, was heutzutage relevant ist oder auch nur notwendig."

Den Fantasien der Mode- und Bewußtseinsindustrie will er die "Schönheit der Wirklichkeit" entgegensetzen. "Bei der Kleidung des 21. Jahrhunderts geht es um Wirklichkeit. Es geht jetzt darum, wie man die Sachen herstellt, dass sie praktisch sind und sich gut anfühlen". Stil habe man nicht, "in dem man Gucci trägt oder Prada oder Dior". Das sei lediglich der Versuch, "sich einen Stil zu kaufen".

Adrover wuchs als Kind mallorquinischer Bauern auf, verließ mit 12 die Schule und kam 1991 nach New York, wo er sich das Schneidern selbst beibrachte und 1999 sein eigenes Label gründete. Bis 2005 brachte er acht gefeierte und umstrittene Avantgarde-Kollektionen heraus. Die /New York Times/ attestierte ihm "exzeptionelle Schneidekünste", kreative Intelligenz" und feierte ihn als "Designer mit einer starken, sozialen Agenda." Heute lebt er in Palma.

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12 Kommentare

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  • MM
    Mrs. Maple

    Ja, alles steht Ihnen frei. Was aber die Mode betrifft, so könnten die Billigheimer mal etwas kürzer treten, denn es ist zu viel von diesem Ramsch auf dem Markt, wie überhaupt von allen Dingen. ZU viel Kinderarbeit, zu viel Tiermord, zu viel Ausbeutung, zu viel Gier. Wir leben in einer Überflussgesellschaft, schon mal bemerkt??? Mit reden kriegen wir hier nix auf die Reihe!

  • S
    Splatterpunk

    Immer schön bei der Wahrheit bleiben, lieber hessebub und keinen Unsinn verbreiten.

    Hess natur hat noch nie zum Otto-Konzern gehört. Das ist schlichtweg unwahr. Die Butzbacher haben schon immer nur Eigendesign verkauft und waren so nie Teil des hier kritisierten "Systems".

    Den Hinweis auf Osteuropäische Massenproduktion kann man ebenso getrost ins Reisch der Legenden verweisen.

    Zudem kann man bei den Hess-Katalogauflagen im mittleren 6-stelligen Bereich und den daraus resultierenden Absatzmengen (=Mindestproduktionsmengen) auch kaum von Massenware sprechen. Und Biosiegel vom Internationalen Verband der Naturtextilhersteller (IVN) stellen weitaus schärfere Anforderungen an Produkte als etwa das Ökotex 100 Label. Diese Biosiegel sind keineswegs an jeder Ecke zu bekommen, sie bedingen eine überaus strenge Kontrolle von in der gesamten Textilindustrie höchsten sozialen und qualitativen Standards. Richtig: Sicher sind die Preise der Hess- Klamotten ein Thema. Die kann sich nunmal nicht jeder leisten. Ich auch nicht immer. Aber sein Geld kann jemand sicherlich weniger sinnstiftend ausgeben als für Kleidung von Hess Natur.

  • N
    Nicole

    Ich finde die Einstellung von Miguel Adrovers grundsätzlich gut und lobenswert. Allerdings meine ich auch, dass er sich mit seiner Attitüde selbst schadet. Diese Abwehrhaltung und das ständige "Ich hasse..." lassen ihn eher bockig als überzeugend wirken und das ist schade. Viele Grüße, Nicole von http://www.streetrunway.de

  • H
    hessebub

    Um das Ganze mal ein wenig zu relativieren:

    erstens gehört Hess Natur (wie auch manufactum) dem Otto-Konzern, d.h. ist Teil des Systems

    zweitens gibt es auch von hess natur ziemlich viele in Osteuropa hergestellte Textilien mäßiger Qualität, zusammengeschusterte Massenware mit Biosiegel. Da ist ein 1500 Euro teurer handgeschneiderter Anzug von der Stange, z.B. Chester Barrie oder Caruso, oder gleich ein echter Maßanzug, wesentlich nachhaltiger, denn den trage ich ein Leben lang und verberbe ihn vielleicht sogar noch.

    drittens ist Karl Lagerfeld, was immer man von ihm als Mensch halten mag, ein begnadeter Designer. Haute couture ist eine Kulturleistung (das hat nichts mit dem Billigkram zu tun, den Armani & Co. dann denn distinktionsgeilen Massen verkaufen).

    viertens hat er mit den Zuständen in der Herstellung von Massentextilien absolut recht und der akzelerierte Fashion & Markenwahn ist zweifellos überzogen. Jeder sollte nach seinen Möglichkeiten einen eigenen Stil entwickeln und auch auf Qualität achten, wie bei allen Einkäufen. Lieber weniger, teuerer und gut, als viel, billig und schlecht

  • I
    ingoandy

    Lieber Herr Androver, klingt alles sehr vernünftig was sie da sagen -jetzt müssen sie nur noch die Preise senken, dann werde ich auch Hessnatur-Kunde.

  • K
    kulturplanet

    Ein sehr lesenswertes Porträt über Miguel Adrover, in der Printausgabe auch sehr schön bebildert!

     

    @grmpf Ja, Hanf hat viele Vorteile, ist eine der ältesten Kultur-Pflanzen überhaupt, wächst so gut wie überall und braucht im Anbau NULL PESTIZIDE und wenig Wasser. Da fragt man sich, warum wird der Hanfanbau nicht weltweit gefördert und kultiviert. Wir könnten uns unabhängig machen von der Baumwolle, die auch sehr viel Wasser zum wachsen benötigt.

     

    Hanf hat hervorragende Materialeigenschaften und ist vielseitig nutzbar, u.a. auch für die Papierherstellung (als Alternative zu Bäumen). Der Anbau von Kulturhanf muss endlich entpolitisiert werden.

     

    Viele Grüße

    http://twitter.com/kulturplanet

  • F
    freidenker

    Der Mann hat doch nur Recht. In der Kleidungsherstellung wird mehr Chemie verwendet, als in der konventionellen Landwirtschft habe ich mal gehört. Das ist viel zu wenig bekannt.

     

    Und unser größtes Organ ist nun mal die Haut.

     

     

    Ich kaufe seit Jahren fast nur noch Öko Textilien und fühle mich damit sehr wohl. Und ausserdem halten diese länger.

     

    Ist doch überall dasselbe. Das billig billig Zeug taugt eifach nichts und ist obendrein noch chemisch verseucht. Billig ist am Ende doch teurer.

     

    In unserem Leben gibt es zu viel Chemie.

  • JH
    Jott Ha

    Miguel Adrover ; der name allein zergeht auf der zunge wie ein spanischer wein . Und er läßt den traum einer besseren grünen welt weiterleben.

    Muchas gracias....

  • AB
    Anette Betina Roming

    Das ist das Vernümftigste, was ich seit langem gelesen habe. Danke.

  • T
    Tobias

    Ist ja alles wunderbar, schön dass er für Hessnatur arbeitet, aber wenn ich mir da die Preise anschaue, dann müssen diese Sachen ja wirklich enorm widerstandsfähig sein, um das auch nur ansatzweise zu rechtfertigen.

  • D
    definitivunkreativ

    Genau so sieht's aus.

    Als wäre, was irgendwelche Designer produzieren lassen, in irgendeiner Weise besser,

    als wäre es berechtigt, dass man, von Kopf bis Fuß in Markenkleidung, freundlicher behandelt wird,

    als wäre es wichtig, sich die teuersten und aktuellsten Fetzen um den Körper zu hängen,

     

    Im Prinzip ist man doch, (z.B.) Chanel-Kleidung kaufend, ein ziemlicher Depp, das zehnfache des eigentlichen Wertes der Kleidung zu bezahlen, nur, weil ein gewisser Lagerfeld da seine Finger mit im Spiel hatte. Würde das Geld wirklich in die Produktion gesteckt und denen, die es herstellen, gegeben, sähe das sicher anders aus, aber so..

    lachen sich die Profit machenden Geschäftsleute sicher ins Fäustchen ob der Dummheit des Konsumenten, solch dermaßen überteurerte Produkte zu kaufen.. und verdienen selbst dabei eine Menge.

    ("Verdienen" ist das falsche Wort. Sie nehmen es sich einfach..)

     

     

    Miguel Adrovers Einstellung klingt jedenfalls nicht schlecht..

  • G
    grmpf

    wir könnten die umwelt dermaßen entlasten, wenn wir endlich klamotten nicht mehr ausschließlich aus baumwolle fertigen würden. aber ein hemd aus hanf kostet bei hess-natur auch mal eben 80.-