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Öko? Bronze!

Die Olympischen Spiele in Sydney werden nicht so ökologisch sein wie von Umweltschützern angestrebt. Dennoch setzen sie für künftige Megaspektakel einen akzeptablen Standard

von SVEN HANSEN

„Stellen Sie sich vor, das Olympische Komitee wollte kurz nach Sydney Australien für die umweltfreundlichsten Spiele der südlichen Hemisphäre auszeichnen“, sagt Bob Symington, Koordinator des Umweltbündnisses „Green Games Watch 2000“.

Er will einen Scherz über „Die Grünen Spiele“ machen. Doch seinem Publikum ist so wenig zum Lachen zu Mute wie den Vertretern Sydneys in seiner fiktiven Geschichte, als sie die Entscheidung des IOC hören: „Der Gewinner ist Melbourne 1956.“ Denn damals seien die Spiele PVC-frei gewesen. Das Publikum hätte die Sportstätten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht, klimaschädliche Kühlmittel gab es nicht, und ein olympisches Dorf war unnötig, weil die Athleten bei einheimischen Familien wohnten.

„Jeder Offizielle hätte große Mühe zu erklären, warum die Umweltauswirkungen der Spiele in Sydney geringer sein sollten als damals in Melbourne“, kommentierte der Sydney Morning Herald. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich olympische Spiele stetig negativer auf die Umwelt ausgewirkt. Sydneys Ökokonzept war deshalb 1993 mit entscheidend dafür, dass sich die Stadt gegen Peking durchsetzen konnte.

IOC-Chef Juan Antonio Samaranch erklärte 1996 die Umwelt gar zur dritten Dimension der olympischen Bewegung nach Sport und Kultur. „Das IOC sieht die Umwelt nur als Mittel zur Imageverbesserung“, meint Blair Palese, die bei Greenpeace Australien die Olympiakampagne leitet. „Denn von den 3.000 Limousinen für die Funktionäre und Prominenten haben nur ganz wenige eine alternative Motortechnik.“

Greenpeace war von Beginn an in die Planungen der „Grünen Spiele“ involviert. Doch trotz Rückschlägen wie in der prestigeträchtigen Limousinenfrage war das Engagement der Umweltschützer kein grünes Feigenblatt. Greenpeace habe sich seine Unabhängigkeit bewahrt. „Mal haben wir die Organisatoren scharf kritisiert, mal unterstützt“, so Blair Palese. Als erst zweite Olympiastadt nach dem norwegischen Lillehammer hat Sydney ein Umweltkonzept, das diesen Namen verdient.

Schon die Wahl des Olympiageländes im Westen Sydneys war extrem ehrgeizig. Statt neue Flächen Busch- oder Farmland vor der Stadt zu verbrauchen, sollte ein altes Industriegebiet im zentrumsnahen Stadtteil Homebush Bay saniert werden. Dort war früher ein großer Schlachthof, nebenan gab es Haus- und Industriemülldeponien und Chemiefabriken. Bei Union Carbide wurde das aus dem Vietnamkrieg bekannte Entlaubungsmittel Agent Orange hergestellt. Dank der Entwicklung neuer Biotechniken gelang die Bodensanierung des avisierten Areals.

Doch bei den benachbarten alten Chemiestandorten an der Bucht ist der Boden so mit Dioxinen, Furanen, Schwermetallen und anderen Dauergiften verseucht, dass die extrem teure Sanierung noch nicht abgeschlossen ist. Als einzigem Ort in Australien ist hier aus Gesundheitsgründen das Angeln verboten. „Wir haben mehrfach mit Aktionen unsere Forderung nach Sanierung unterstrichen. Doch wir konnten uns nicht durchsetzen, da das Gebiet nicht zum offiziellen Olympiagelände gehört“, sagt Palese. Die Umweltschützer fürchten, dass nach den Spielen die Lust an der Sanierung krass nachlässt.

Die Durchsetzung einer regenerativen Energieversorgung für das olympische Dorf ist dagegen ein großer Erfolg. Vorausgegangen war dem ein zweijähriger Kampf mit den Baufirmen um die Akzeptanz von Solaranlagen. Heute gehören die 650 solarbetriebenen Häuser, die Dank moderner Architektur und Baustoffe ohne Klimananlagen auskommen und nur halb so viel Energie verbrauchen wie herkömmliche Anlagen, zu einer der größten Solarsiedlungen der Welt. Der Verwendung von PVC wurde um achtzig Prozent reduziert. Ein eigener Wasserkreislauf senkt den Frischwasserverbrauch.

Es ging darum, beim ökologischen Bauen beispielhafte Standards zu setzen und zu zeigen, dass umweltfreundlich gebaut werden könnte und dies auch attraktiv ist. „Hätten wir auf die Ingenieure gehört, wären wir nicht halb so weit gekommen. Die haben immer sofort gesagt, das geht nicht.“ Das Verkehrskonzept setzt strikt auf öffentliche Verkehrsmittel. Das Olympiagelände erhielt einen Bahnanschluss und ist zudem per Fähre zu erreichen. Im autofreien Olympiadorf verkehren naturgasbetriebene Busse. Auch die Sportanlagen sind in vielerlei Hinsicht ökologisch wegweisend. Es wird viel Solarenergie eingesetzt. Im „Stadium Australia“, der größten je für olympische Spiele gebauten Arena, sind alle Sitze aus PVC-freiem Kunststoff. Im Schwimmstadion, dessen großes Becken in Länge und Tiefe variierbar ist, wird das Wasser mit Ozon statt mit Chlor entkeimt.

Ein Fehlschlag war die Auswahl der Kühltechnik für die Klimaanlagen der Stadien und die Kühlschränke für Lebensmittel. Denn ausgerechnet in Australien, das unter der Reduzierung der Ozonschicht am meisten leidet und die höchste Hautkrebsrate hat, werden noch Ozonkiller bei der Kühltechnik eingesetzt. Vergeblich mahnten Greenpeace und „Green Games Watch 2000“ die Verwendung von Kühlmitteln ohne Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) an.

Dies sei nicht möglich, hieß es bei Organisatoren und Baufirmen. Während Greenpeace schon Anfang der Neunzigerjahre der Volksrepublik China bei der Einführung klimaschützender Kühlschranktechnik half, sehen sich Australiens Verantwortliche im Jahr 2000 dazu angeblich noch nicht in der Lage. Das lässt auf mangelnden Willen schließen. „Bei der Kühltechnik hinkt Australien 25 Jahre hinter Europa her“, klagt Blair Palese.

Als sich auch die Hauptsponsoren Coca-Cola und McDonald’s beharrlich weigerten, Essen und Getränke aus FKW-freien Kühlschränken anzubieten, startete Greenpeace am 1. Juni eine Kampagne. Den Konzernen wurde öffentlich die Nichteinhaltung der Umweltrichtlinien der „Grünen Spiele“ vorgeworfen, auf die sich alle hatten verpflichten müssen. 1996 in Atlanta war der Coca-Cola-Konzern noch vor Kampagnen sicher, schließlich befindet sich dort auch der Firmensitz.

Jetzt geriet der Getränkemulti in Erklärungsnöte, als er der Öffentlichkeit weismachen wollte, dass von seinen 1.800 Kühlschränken auf dem Olympiagelände nur hundert klimaschonend sein könnten. Nach vierwöchiger Kampagne versprach Coca-Cola, von 2004 an für seine Getränke nur noch FKW-freie Kühlsysteme zu kaufen. Bei einem Getränkeabsatz von 750.000 Flaschen und Dosen pro Minute weltweit wäre das ein enormer Schritt. McDonald’s hat noch nicht reagiert, sich allerdings zuvor schon auf PVC-freie Merchandising-Spielzeuge verpflichten müssen.

Greenpeace habe die Olympiade nutzen wollen, um in der Durchsetzung von Umwelttechnik und beim Bewusstsein einen Sprung zu bewirken, erklärt Greenpeace-Frau Blair Palese. Bei der Olympiakampagne griffen zudem viele Kampagnen der Umweltschutzorganisation ineinander. Doch: „Was wir jetzt nicht durchsetzen konnten, werden wir wohl viele Jahre lang nicht erreichen.“

Ernüchternd klingt auch das Urteil von „Green Games Watch 2000“. Sydney 2000 werde wohl grüner sein als andere Sommerspiele der vergangenen vierzig Jahre. Dennoch verdienten die Spiele nur das Prädikat „halb grün“, weil zwar viel für den Umweltschutz getan wurde – aber noch viel mehr hätte getan werden können.

Zwei Minus“ lautet auch die Note des Olympiabeauftragten von Greenpeace Deutschland, Sven Teske. Doch im Unterschied zur Expo in Hannover, wo Greenpeace nur ohne Einfluss mit einem Stand hätte teilnehmen können und dies deshalb abgelehnt hatte, ist die Umweltschutzorganisation in Sydney von Anfang an in die Entscheidungsprozesse involviert worden. Man darf gespannt sein, wie sich der Deutsche Fußball-Bund im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland verhält.

SVEN HANSEN, 39, ist Asienredakteur der taz. Ende der Siebzigerjahre ärgerte er sich als hoffnungsvolles Mitglied der Segeljugendnationalmannschaft über die Betonwüste des Kieler Olympiasegelhafens Schilksee

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