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Öffentlicher Druck gegen Folter wächst

■ Amnesty International veröffentlicht Jahresbericht 1986 / Zahlreiche Staaten der UNO–Konvention gegen Folter beigetreten / Kluft zwischen offiziellen Versprechen und tatsächlicher Praxis / Todesstrafe wird in über 100 Ländern vollstreckt / Weltweit über 10.000 politische Morde

London (afp) - Folter sowie politisch motivierte Morde und Hinrichtungen bleiben ungeachtet aller internationalen Abkommen in zahlreichen Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens und im Nahen Osten weiter an der Tagesordnung. Aber auch in Osteuropa, wo Hunderte von Menschen aus politischen Gründen inhaftiert sind, werden die Menschenrechte nach wie vor mit Füßen getreten. Diese pessimistische Bilanz zieht die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International (ai) in ihrem am Mittwoch in London veröffentlichten Bericht über das Jahr 1985, der sich auf 128 Länder bezieht. Darin schätzt die Organisation aufgrund der ihr vorliegenden Informationen für 1985 die Zahl der politischen Morde, Entführungen und Hinrichtungen auf weltweit mehrere Zehntausend. Zugleich prangert ai die in vielen Ländern nach wie vor systematische Anwendung brutaler und unmenschlicher Folter sowie willkürliche Verhaftungen und politische Prozesse an. Verstöße gegen die Menschenrechte, so stellt die Hilfsorganisation fest, kennen keine Grenzen. Sie betreffen alle Länder, „große und kleine, reiche und arme - egal, welches politische System sie haben“. Zwar seien im vergangenen Jahr mehr als 40 Länder der UN– Konvention gegen die Folter aus dem Jahre 1984 beigetreten und mehr als 80 der Internationalen Konvention der bürgerlichen und politischen Rechte. Doch klafften oft formelles Engagement und Praxis weit auseinander. Überall in der Welt seien Regierungen schnell dabei, sich auf „be sondere Umstände“ zu berufen und damit Verstöße gegen die Menschenrechte zu rechtfertigen, stellt AI fest. Als alarmierend schätzt die Organisation die Lage in Südamerika ein. In Guatemala, El Salvador, Kolumbien, Peru und Chile beispielsweise seien willkürliche Verhaftungen, Folter und Morde an tatsächlichen oder mutmaßlichen Anhängern der politischen Opposition praktisch an der Tagesordnung. Oft seien daran Sicherheitskräfte oder der Armee nahestehende paramilitärische Kommandos beteiligt. Gebessert hat sich dagegen die Situation in Uruguay, wo laut ai alle politischen Gefangenen auf freien Fuß gesetzt wurden. Brasilien habe zwar Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte beschlossen, doch gebe es nach wie vor zahlreiche Fälle von Folter und politisch motivierte Morde. In Argentinien würden noch immer rund hundert Kinder vermißt, dae zur Z eit der Militärdiktatur verschwanden. In Afrika gab es laut ai vor allem nach mehreren Staatsstreichen - etwa in Guinea - eine große Zahl von willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Hinrichtungen. Massive Menschenrechtsverletzungen wirft die Organisation erneut dem Apartheid–Regime in Südafrika vor. Dort habe sich die Lage nach Ausrufung des Ausnahmezustandes im Juli 1985 weiter verschlechtert. Auch in zahlreichen Ländern Asiens und des Nahen Ostens sind politische Verhaftungen und Morde sowie Folter gang und gebe, stellt ai fest. ai fordert erneut die Abschaffung der Todesstrafe, die heute noch in mehr als 100 Ländern gilt. Allein in den USA wurden im vergangenen Jahr 18 und in Südafrika sogar 137 Todesurteile vollstreckt. In Saudi–Arabien wurden 45 zum Tode Verurteilte öffentlich hingerichtet.

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