Öffentlich-rechtliche Sender: Wir regeln das unter uns!
Der Hessische Rundfunk wählt am Freitag eine neue Intendanz. Zur Auswahl stehen zwei ARD-Geschöpfe. Wie immer. Muss das sein?
Was sind derzeit die „größten journalistischen Herausforderungen und Aufgaben“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Der Hessische Rundfunk (HR) weiß es. Er hat unter anderem zu dieser Frage gerade ein „Backstage“-Video aus dem Community Management seiner „Hessenschau“ ins Netz gestellt. Der „Koordinator Community Management“ nennt dort als eine der größten journalistischen Aufgaben im Moment, „dass wir auf Social-Media-Plattformen einen geordneten und konstruktiven Diskurs organisieren“. Na ja, etwa 22 noch wichtigere Herausforderungen gäbe es schon.
Wer das Video gesehen hat, könnte denken, dass sie beim HR ein bisschen lost sind. Und so kann es von Vorteil sein, dass bald eine neue Intendant*in ins Amt kommt. Am Freitagnachmittag entscheidet der HR-Rundfunkrat, wer Nachfolger des Ende Februar in Pension gehenden Manfred Krupp wird. Vorgeschlagen hat die vom Rundfunkrat eingesetzte Findungskommission die HR-Betriebsdirektorin Stephanie Weber und den ARD-Vizeprogammdirektor Florian Hager.
Ob sie oder er dem Sender einen neuen Kompass geben kann oder will, ist fraglich. Weber war beim Saarländischen Rundfunk (SR) Justiziarin, dann Verwaltungs- und Betriebsdirektorin. Zum HR wechselte sie erst im Januar – laut Informationen des Fachdienstes Medienkorrespondenz, „weil ihr in Saarbrücken wohl signalisiert wurde, dass ihre Ambition auf das SR-Intendantenamt keine ausreichende Unterstützung finden würde“.
Florian Hager derweil hat an der jüngsten ARD-Programmreform maßgeblich mitgewirkt, und wie immer man die finden mag: Aus Sicht der ARD wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn er zu deren Umsetzung in München bliebe. Denn wäre es nicht sinnvoll, wenn man Leuten auf zentralen Posten erst einmal Zeit gibt, große Veränderungen umzusetzen? Das gilt erst recht für die HR-Novizin Weber.
Quereinstieg? Keine Chance!
Hager und Weber haben Qualitäten, das ist unbestritten. Sonst wären sie kaum so weit gekommen. Dass nur sie beide in Frankfurt zur Wahl stehen, ist aber symptomatisch für einen generellen Missstand bei den Öffentlich-Rechtlichen: Für Führungspositionen kommen in der Regel nur Leute „aus dem System“ infrage, die gemäß einer internen Aufstiegsarithmetik „dran“ sind. Seiteneinsteiger? Keine Chance! Unvorstellbar, dass eine hochrangige Managerin aus der Kulturbranche oder ein Zeitungschefredakteur an die Spitze eines öffentlich-rechtlichen Senders gelangt.
Auch beim Programm setzt der HR auf Inhouse-Strategie, mit Festangestellten und festen Freien. Regionale Film- und TV-Produktionsfirmen haben das Nachsehen. Der HR lebe in einer „Blase“, sagt die Frankfurter Filmproduzentin Ina Knobloch. Sie hat sich, auf Aufforderung eines Mitglieds der Findungskommission, ebenfalls für das Intendant*innenamt beworben, wurde aber nicht als Kandidatin ausgewählt. Es sei nicht mal zu einem Bewerbungsgespräch gekommen, sagt Knobloch. Ihrer Verärgerung darüber hat sie zuletzt in mehreren Interviews Luft gemacht.
Knobloch ist promovierte Biologin und hat mit Schauspieler Hannes Jaenicke den Sachbuchbestseller „Aufschrei der Meere“ geschrieben, sie ist zudem Autorin historischer Romane und hat dokumentarische Formate für Arte und den Kinderkanal produziert. Für den HR war sie vor vielen Jahren als Filmemacherin und Moderatorin tätig. Eine derart vielfältige Arbeitsbiografie wäre eigentlich eine gute Voraussetzung für den Job der Senderchefin. Wer an der Spitze steht, sollte möglichst Generalist*in sein. Knobloch stünde nicht nur für eine Abkehr von der Inhouse-Politik, darüber hinaus wolle sie unter anderem dem Regionalfernsehen „mehr Relevanz“ verschaffen. Auch dort könne man „in die Tiefe gehen“, anders als es etwa bei der Nachmittagssendung „Hallo Hessen“ oder beim Boulevardmagazin „Maintower“ der Fall sei.
Knobloch ist nun zwar außen vor, sie hat aber noch eine theoretische Chance: Beim HR gibt es bei der Intendantenwahl die Besonderheit, dass jedes der 32 Mitglieder im Rundfunkrat bis zur letzten Minute noch Kandidat*innen vorschlagen kann.
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