Öffentlich-private Partnerschaften: „Profitinteressen der Großanleger“
Eine Expertenkommission diskutiert über Investitionen in Infrastruktur. „Öffentlich-private Partnerschaften“ bleiben ausgeklammert – zumindest offiziell.
![](https://taz.de/picture/51545/14/infrastruktur_dpa.jpg)
BERLIN taz | In Deutschland wird deutlich zu wenig Geld in öffentliche Infrastruktur investiert – zumindest darüber sind sich die Mitglieder der Expertenkommission einig, die im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seit vergangenem August zusammensaß, um eine Lösung für genau dieses Problem zu suchen. Weniger Einigkeit gab es bei den möglichen Gegenmaßnahmen. Ein „10-Punkte-Programm“, das DIW-Chef Marcel Fratzscher, Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen und DGB-Chef Reiner Hoffmann als Kommissionsmitglieder am Montag als zentrales Ergebnis präsentierten, blieb vage.
Neben der Forderung, dass der Staat seine Haushaltsüberschüsse vor allem für Infrastruktur verwendet, findet sich darin der Vorschlag für einen „Bürgerfonds“ und einen „öffentlichen Infrastrukturfonds“, über die sich Anleger an der Finanzierung von Infrastruktur beteiligen können. Doch welches Volumen diese Fonds haben sollen, wie sie genau organisiert werden und wie hoch die Verzinsung sein müsste, um Investoren anzulocken, blieb auf Nachfrage völlig offen.
Keine Einigkeit gab es über die Rolle sogenannter öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP), bei denen der Bau und teilweise auch der Betrieb öffentlicher Infrastruktur komplett von einem privaten Konsortium übernommen wird. „Darüber wurde sehr kontrovers diskutiert“, umschrieb Fitschen den Streit. Der Deutsche-Bank-Chef will weiter daran arbeiten, dass man dieses Instrument „von der Gesellschaft akzeptiert darstellen kann“. Banken und Versicherungen hätten großes Interesse, ihre Gelder in Infrastruktur anzulegen.
Der DGB-Vorsitzende Hoffmann verwies hingegen auf die schlechten Erfahrungen, die bisher mit ÖPP gemacht wurden. So kam der Bundesrechnungshof zu dem Ergebnis, dass solche Konstruktionen am Ende erheblich teurer wurden als eine direkte Finanzierung durch den Staat. In der am Montag präsentierten Zusammenfassung kam das umstrittene Thema darum nicht vor. Im kompletten Bericht, der erst in der nächsten Woche an Gabriel übergeben wird, finden sich nach taz-Informationen aber weiterhin positive Bezüge zu ÖPPs; davon distanzieren sich die Gewerkschaften in einem Sondervotum.
Deutliche Widersprüche
Der Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“, der die Kommissionsarbeit von Anfang an kritisch begleitet hatte, begrüßte die Haltung der Gewerkschaften. „Es freut uns, dass die Widersprüche zwischen den Interessen der Finanzindustrie und denjenigen, die öffentliches Interesse vertreten, deutlich wurden“, sagte Sprecher Carl Waßmuth.
Kritik kam von der Opposition. „Im Kern laufen die Vorschläge weiter auf ÖPP-artige Projekte heraus“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Für die Linke kritisierte Klaus Ernst, die Kommission orientiere sich an den „Profitinteressen der Großanleger“. Gabriel lobte die Arbeit hingegen als „hervorragend“ und will die Vorschläge genau prüfen.
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