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Obst und GemüseNatürlich essen ohne Gentechnik

Mehr als 1.200 Bauern, Gärtner und Imker in Norddeutschland ächten den Einsatz von Gentechnik. Eine Initiative für eine gentechnikfreie Region wurde in Hamburg vorgestellt. Zurzeit gibt es nur zwei Versuchsäcker in Niedersachsen.

Apfel im Alten Land: Nur mit Äpfeln ohne Gentechnik kann Niedersachsen das größte Obstanbaugebiet Europas als Weltnaturerbe anmelden. Bild: DPA

Eine Initiative für Lebensmittel ohne Gentechnik in Norddeutschland haben mehr als 30 Organisationen am Freitag in Hamburg gestartet. In einer Selbstverpflichtungserklärung, die mehr als 1.200 Bauern, Gärtner und Imker bereits unterzeichnet haben, wird ausdrücklich auf die Verwendung von gentechnisch verändertem Saat- und Pflanzengut verzichtet. "Gentechnik ist ein Langzeitversuch mit ungewissem Ausgang", sagt die Bio-Obstbäuerin Katrin Augustin aus Jork im Alten Land. Die Risiken seien zu groß.

Zu dem Bündnis gehören Verbände aus Landwirtschaft, Garten- und Obstbau, Großhändler wie Naturkost Nord in Seevetal, die Verbraucherzentralen und die Verbraucherberatung Ökomarkt, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft in den norddeutschen Bundesländern sowie etliche Direkterzeuger. Und das seien keineswegs nur Ökobauern, die ohnehin grundsätzlich keine Gentechnik einsetzen, sagt Annemarie Volling vom Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft, "sondern auch zum großen Teil konventionelle Betriebe".

Die 1.200 Erstunterzeichner verfügen über eine Nutzfläche von 52.000 Hektar - bei 50.000 Betrieben mit 2,5 Millionen Hektar Nutzfläche allein in Niedersachsen kaum mehr als ein Anfang. Volling und ihr Kollege Georg Janßen weisen deshalb darauf hin, dass auch nahezu alle Landwirte keine Gentechnik wollen, die noch nicht unterschrieben haben. Für Gen-Experimente lägen in Niedersachsen zwei Anträge für neun Hektar vor und beide seien "Versuchsanbau von staatlichen Stellen", sagt Janßen.

In Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen habe kein einziger Betrieb um Erlaubnis für den Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut gebeten. Eine vollständige Übersicht soll nach dem Ende der Frühjahrsaussaat im März veröffentlicht werden.

Laut Umfragen würden 75 bis 80 Prozent aller Konsumenten gentechnikmanipulierte Lebensmittel ablehnen, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Bislang wiesen deshalb hauptsächlich Öle und Sojasoßen gentechnische Veränderungen auf. "Das hat sich zum Glück nicht in großem Maßstab durchgesetzt."

Deshalb wird die Initiative auch von 170 Verarbeitungsunternehmen des norddeutschen Nahrungsmittelgewerbes - unter anderem Molkereien, Mühlen, Bäckereien, Gärtnereien sowie Marmeladen- und Fruchtsafthersteller - unterstützt.

Gentechnik sei "einfach unkontrollierbar", sagt Landwirt Jens-Peter Holm aus Altengamme in den Hamburger Vier- und Marschlanden. Maispollen würden bis zu 50 Kilometer weit fliegen können, "und dann kommen die irgendwo runter und verseuchen saubere Pflanzen". Und das sei dann "irreversibel", sagt Helmut Grimm von der Hamfelder Molkerei in Schleswig-Holstein: "Schon der erste Hektar mit Gentechnik ist der Sündenfall."

Für ihn gehe es auch um "Vielfalt statt Einfalt", sagt Gärtner Thomas Sannmann aus Ochsenwerder in den Vier- und Marschlanden. "Wir wollen eigene regionaltypische Produkte herstellen, keine Einheitsware aus dem Labor." Die vielen Touristen und Ausflügler würden die Natur in den Vier- und Marschlanden schätzen, "und dann wollen die auch natürlich essen", glaubt er. Sein Motto, sagt Sannmann, "lautet ,Zukunft säen'".

Und Augustin ergänzt mit dem Hinweis darauf, dass in Niedersachsen eine Anmeldung des Alten Landes, das größte Obstanbaugebiet Europas, als Weltnaturerbe bei der Unesco debattiert werde. Aber das gehe ja wohl, so die Bio-Obstbäuerin, "nur mit Äpfeln ohne Gentechnik".

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