Oberstufen-Reform: Profile für die Tonne
Schulsenator Rabe beschädigt die Profiloberstufe mit Zentralprüfungen in 18 Fächern. Einen Warn-Brief von 13 Oberstufen-Koordinatoren hat er einfach überhört.
Ruhe und Verlässlichkeit hatte SPD-Schulsenator Ties Rabe versprochen, als er sein Amt antrat. Ein Jahr später scheint das vergessen. Die gerade erst 2009 eingeführte „Profiloberstufe“, die das fächerübergreifende Lernen ermöglichen soll, wird jetzt durch ein Zentralabitur in allen 18 Einzelfächern revidiert. „Die Ziele der Profiloberstufe kann man damit einstampfen“, warnt Helge Pepperling vom Deutschen Lehrerverband Hamburg.
Es geht um ein Kursmodell, das die Leistungskurse ablöste. Pepperling ist Physik- und Mathelehrer und unterrichtet an der Erich-Kästner-Schule das Profil Physik und Geografie. „Wir haben dafür ganz neue Lehrpläne geschrieben“, sagt er. Zum Beispiel werde das Thema Stadt und Lärm behandelt, bei dem es um Schall, aber auch um Immissionen und Lärmschutz geht. Hier können die Schüler Wissen aus beiden Fächern praktisch anwenden. Eine Fähigkeit, die wichtig ist in der Wissensgesellschaft.
Ganz ähnlich sieht es an anderen Schulen aus. Nur für die drei Kernfächer Mathe, Deutsch und Fremdsprache gibt es bislang zentrale Prüfungen, um die „Basiskompetenzen“ zu sichern. Die übrigen Fächer wurden in vielen Variationen kombiniert. Im Jahr 2011 und 2012 konnten Schüler darin auch ihr Abitur schreiben. Dies soll ab 2014 nicht mehr möglich sein.
In Hamburg soll es ab 2014 zentrale Prüfungen in 18 Fächern geben.
Die Fächer: Biologie, Chemie, Deutsch, Englisch, Französisch, Geografie, Geschichte, Informatik, Latein, Mathematik, Politik-Gesellschaft-Wirtschaft, Philosophie, Physik, Psychologie, Religion, Russisch, Spanisch und Sport.
Ausgenommen sind: Chinesisch, Griechisch, Italienisch, Kunst, Musik, Pädagogik, Polnisch, Psychologie (erhöhtes Niveau), Recht, Theater, Türkisch und Wirtschaft sowie in Fremdsprachen unterrichtete Fächer.
Bundesweit soll es ab 2016 einen Aufgabenpool für Deutsch, Mathe, Englisch, Französisch, Chemie, Physik und Biologie geben.
Denn dann gibt es, wie Senator Rabe Ende Februar ankündigte, in allen 18 Einzelfächern zentrale Prüfungen. Noch im Mai sollen die Schulen Themenhefte für die Prüfungen erhalten. Laut Schulbehörde bliebe dann noch 50 Prozent Zeit für die Profilarbeit.
Doch Praktiker halten das für unrealistisch. „Was die am grünen Tisch planen, funktioniert nicht an der Schule“, sagt eine Oberstufenkoordinatorin. Sie kennt besagte Themenhefte noch von dem früheren Zentral-abitur in Biologie, das für die Profiloberstufe abgeschafft wurde. „Das ist die Stofffülle, die man mit der Knute durchbringen muss.“ Auch Helge Pepperling weiß als Mathelehrer, was die Zentralprüfung dort bedeutet: „Wir werden nur noch einen Bruchteil der Profilarbeit machen können.“
Vor diesem Schritt hatten noch im Februar 13 Oberstufenleiter von Stadtteilschulen gewarnt. Zentrale Aufgaben in allen Fächern stünden im „absoluten Widerspruch zur verlangten fächerübergreifenden und projektorientierten Arbeit in Profilen“, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt.
Rabes Sprecher Peter Albrecht bleibt dabei, dass es „keinen Widerspruch“ zur Profiloberstufe gebe. Wegen der jüngst vereinbarten bundesweiten Standards fürs Abitur gebe es aber einen „Anpassungsbedarf“, dem Hamburg sich nicht verschließen könne.
Allerdings plant die Kultusministerkonferenz (KMK) lediglich einen „Aufgabenpool“ für die drei Hauptfächer und die Naturwissenschaften, und das auch erst ab 2016. Eine Notwendigkeit für Rabes Radikal-Reform ab 2014 ergibt sich daraus nicht.
Und auch dieser KMK-Beschluss ist strittig. „Alle Fachleute sind sich einig, dass die Kultusminister hier nicht verstehen, was sie beschließen“, sagt der GAL-Bildungsexperte Edgar Mebus. Oder auch sie wollten die Profiloberstufe „auf kaltem Wege abschaffen“.
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