Oberlandesgericht Bremen stoppt Schikane: Amtliche Kindeswohlgefährdung
Schwarze Kinder bekommen in Bremen jetzt Geburtsurkunden. Das Standesamt hatte sie ihnen grundlos verweigert. Damit ist nun Schluss.

R ichtig bösartig: Anders lässt sich das beharrliche Fehlverhalten der Bremer Standesämter nicht bezeichnen. Dem hat nun – endlich! – das Oberlandesgericht einen Riegel vorgeschoben: Jahrelang hatte das Standesamt nämlich systematisch verhindert, dass in Bremen geborene Schwarze Kinder eine Geburtsurkunde erhalten.
Aber eine Geburtsurkunde ist eben nicht nur ein Blatt Papier mit Stempel drauf: An ihr hängen unter anderem Kindergeldzahlung und Krankenversicherung, dabei müssen Säuglinge doch alle paar Wochen zum Arzt! Später wird es ohne Geburtsurkunde schwer, einen Krippen-Platz zu kriegen. Die Standesämter haben den betroffenen Kindern den Start ins Leben so gut sie nur konnten verhagelt.
Und in der Hoffnung, an dieser widerlichen Praxis festhalten zu dürfen, haben die Ämter noch dazu versucht, das wohlbegründete Verbot, welches das Amtsgericht im September ausgesprochen hatte, juristisch anzufechten. Undenkbar, dass ein solcher Gang in die höhere Instanz ohne Wissen und Billigung der Spitze des Ressorts unternommen worden wäre. Der Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der gerade im Wahlkampf ganz leutselig die besorgten Bürger*innen zum Kaffeeklatsch lädt, ist nicht nur politisch, sondern auch persönlich verantwortlich für diese Kindeswohlgefährdung von Amts wegen.
Gründe für die? Hätte es irgendwelche ernsthaften politischen Motive dafür gegeben, diese Babys schon mal ein bisschen anzudiskriminieren? Hätten sie Bremens Sicherheit gefährdet? Ah, immerhin, es sei „um Zweifel an Urkunden und nicht an Personen bestimmter Hautfarben“ gegangen, versichert die Innenbehörde. Da sind wir aber mal beruhigt.
Es waren keine Einzelfälle
Nur weist ja schon die dreistellige Fallzahl darauf hin, dass es sich hier um ein systematisches Vorgehen gehandelt hat. Hinzu kommt: Laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung darf das Amt am Identitätsnachweis durch einen gültigen, echten National-Pass nur dann zweifeln, wenn ihm – und zwar in jedem dieser über 100 Fälle – valide Indizien vorliegen, aus denen sich der Verdacht speist.
Die Unfähigkeit von Amt und Senator, den Gerichten solche Gegendokumente vorzulegen, macht klar: Hier waren pauschale Vorurteile handlungsleitend. Einziger Anknüpfungspunkt: die Herkunftsländer. Viel reiner bekommt man strukturellen Rassismus selten geboten in Deutschland.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Protestaktion gegen CDU-Chef Merz
Alle Tassen im Konrad-Adenauer-Haus?
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
USA in der Ukraine
Geheime Verhandlungen mit der Opposition
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
CDU-Politiker boykottiert Radio Bremen
Zu links, zu grün, zu schlecht
Wählen mit Migrationshintergrund
Studie zu Wahlverhalten und Herkunft