Oberbürgermeisterwahl in Köln: Die Grüne Berîvan Aymaz will im Rathaus ganz nach oben
Aymaz, Kind kurdischer Einwanderer, hat Chancen auf das Oberbürgermeisteramt in Köln. Wer ist die Grüne?

Berîvan Aymaz sagt, sie wolle eine Oberbürgermeisterin für alle sein. Vermutlich weiß Aymaz, dass sie nur Oberbürgermeisterin von Köln werden kann, wenn sie glaubhaft machen kann, dass alle ein Ohr bei ihr finden: Migrant*innen, queere Menschen, die Jugend.
Aymaz wurde 1972 im kurdischen Bingöl geboren, eine Provinz im Osten der Türkei. In der Türkei sei ihre Familie als Kurden verfolgt worden, das habe sie stark geprägt. Als sechsjähriges Diplomatenkind kam sie nach Deutschland. Zuerst nach Paderborn, dann zog die Familie 1980 nach Köln. Aymaz' politisches Engagement begann früh. 1993 war sie Mitgründerin der Kurdischen Gemeinde Deutschlands. Sie engagierte sich in verschiedenen Organisationen und Initiativen, die sich für Migration, Integration und Menschenrechte einsetzen.
Anfang 2025 erkor ihre Partei, die Grünen, deren Mitglied sie seit 2009 ist, Aymaz zur Kandidatin für den Chefsessel ihrer Stadt aus. Es wäre ein Novum, wenn im September eine Grüne in einer Millionen-Stadt Oberbürgermeisterin würde – und dann noch eine, die nicht in Deutschland geboren wurde. „Ich bin bereit für diese neue Aufgabe“, sagt Aymaz.
Für die Grünen hat sie bisher im Kölner Stadtrat gesessen, dort hat sie die Gruppe „Säkulare Grüne NRW“ gegründet und stieg schnell parteiintern auf. 2017 schaffte sie den Sprung in den Landtag und war dort integrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Fünf Jahre später gewann sie sogar ihren Kölner Wahlkreis und wurde in ihrer zweiten Amtszeit zur Vizepräsidentin des Landesparlaments gewählt – gegen einen Kandidaten der AfD.
Trotz der Jahre in Düsseldorf: „Köln ist und bleibt meine Heimat“, betont Aymaz. Motivieren dürften Aymaz die derzeit guten Umfrageergebnisse, die sie vorne sehen vor Markus Greitemann von der CDU und dem SPDler Torsten Burmester, der für die Kandidatur seinen Spitzenfunktionärsposten beim Deutschen Olympischen Sportbund aufgab.
Freiheit, Demokratie, Menschenrechte
Aymaz, die laut eigener Aussage keiner Religionsgemeinschaft angehört, betont, wie wichtig ihr „Haltung“ sei. Vor Rückschritten bei emanzipatorischen Werten warnt sie. Vermutlich ist sie da auch geprägt durch ihre Erfahrungen als Kind politisch verfolgter Kurden in der Türkei. Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, diese Werte gelte es, aktiv zu verteidigen.
Aymaz' Vater kam 1978 als Attaché nach Deutschland, wenige Monate später konnten seine Frau und die Kinder nachkommen. Als Kurde musste Vater Aymaz vor dem Militärputsch 1980 in der Türkei aber seinen Pass abgeben. In die Türkei zurück wollte er nicht. Also blieb die Familie in Deutschland. Ihr Vater, eigentlich ein ausgebildeter Lehrer, arbeitete zeitweise auch mal als Gemüsehändler.
Inhaltlich versucht Aymaz in der Wohnungspolitik, die sie für die „zentrale soziale Frage“ hält, einen politischen Schwerpunkt zu setzen: „Fast 45 Prozent der Menschen in Köln haben ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein“, erinnert sie. Es gebe viel zu wenig öffentlich geförderte Sozialwohnungen und bald könnten noch viele aus der Bindung herausfallen.
Ganz konkret, sagt Aymaz, wolle sie erreichen, dass „städtische Grundstücke über das Erbpachtrecht künftig privilegiert an genossenschaftliche und gemeinwohlorientierte Bauprojekte vergeben werden“. Köln müsse ein „lebenswerter Ort“ für alle bleiben. Sollte sie Oberbürgermeisterin werden, dürfte man sie an diesen Worten messen.
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