Oberbürgermeisterwahl in Göttingen: Erneute Zählung nötig

Bei der Stimmauszählung bei der Oberbürgermeisterwahl in Göttingen wurde geschlampt. Für die Grünen bedeutet das ein Zittern um Platz zwei.

Menschen an einem Tisch zählen Wahlzettel aus.

Und noch mal von vorn: Stimmenauszählung bei der niedersächsischen Kommunalwahl Foto: localpic/Imago

GÖTTINGEN taz | Die wenigen Mitglieder und Sympathisanten der Grünen, die noch bis nach Mitternacht im Parteibüro ausharrten und auf das Endergebnis der Göttinger Oberbürgermeisterwahl warteten, freuten sich zu früh. Die parteilose Doreen Fragel, die sich für die Grünen um den Job bewirbt, hatte – so schien es zumindest bei der Bekanntgabe des Resultates gegen 0.30 Uhr – die Stichwahl erreicht. Mit dem äußerst knappen Vorsprung von 64 Stimmen (28,7 zu 28,6 Prozent) lag sie vor dem CDU-Kandidaten Ehsan Kangarani. Auf Platz Eins landete wie erwartet SPD-Frau Petra Broistedt mit 33,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,2 Prozent.

Doch jetzt muss alles noch einmal nachgezählt werden, wie die Stadt Göttingen am Dienstag mitteilte. Der städtische Wahlausschuss gab mit dieser Entscheidung einem Antrag der CDU statt. Bei einer erneuten Zählung der als ungültig deklarierten Stimmzettel wurden fünf entdeckt, die tatsächlich gültig waren – bei 740 ungültigen Wahlscheinen eine Fehlerquote von 0,5 Prozent. Würde diese „signifikante“ Quote auf die insgesamt rund 45.000 abgegebenen Stimmen hochgerechnet, argumentierte die CDU, könne das wahlentscheidend sein. Immerhin gehe es dabei um 300 Stimmen.

Die öffentliche Neuauszählung der Stimmen soll am 15. September erfolgen. Auswirkungen auf die Stichwahl hat der Vorgang zunächst aber nicht, die soll wie geplant am 26. September parallel zur Bundestagswahl stattfinden. Für Briefwähler/innen könnte es allerdings eng werden: Die Unterlagen werden erst verschickt, wenn das Ergebnis der Auszählung feststeht.

Gerade bei der Briefwahl hatte es in Göttingen schon im Vorfeld des Urnengangs peinliche Pannen gegeben – fehlerhafte Anleitungen, falsche Adressen, doppelt und dreifach versandte Wahlscheine und Stimmzettel. Wie üblich hatte die Stadtverwaltung die für die Briefwahl notwendigen Unterlagen verschickt. Sie umfassten den Wahlschein, die Stimmzettel, Umschläge und einen „Briefwahl-Wegweiser“, der die Stimmabgabe per Post erläutern und erleichtern soll. In der Beschreibung war von einem roten und einem blauen Umschlag die Rede. In einer nicht bekannten Anzahl von Fällen waren die Umschläge aber grün und gelb.

Gerade bei der Briefwahl hatte es schon im Vorfeld des Urnengangs peinliche Pannen gegeben

Während die Farb-Schlamperei gerade noch so als Bagatelle ohne ernsthafte Konsequenzen durchgehen kann, wiegen weitere Pannen deutlich schwerer: So waren nicht nur bei mehreren Wahlberechtigten fehlerhafte Adressen aufgedruckt. Einige Bürger erhielten die Unterlagen und damit auch die Stimmzettel gleich doppelt oder sogar dreifach.

Er habe drei Stimmzettel für die Oberbürgermeisterwahl in Göttingen erhalten, berichtete ein Wähler dem Göttinger Tageblatt: „Jetzt kann ich dem Oberbürgermeister oder der Oberbürgermeisterin meiner Wahl drei Stimmen verschaffen oder ich wähle, weil ich mich so schwer entscheiden kann, drei unterschiedliche Kandidaten oder Kandidatinnen.“

Das schloss die Stadt allerdings aus. „Eine ordnungsgemäße Wahldurchführung ist dadurch nicht gefährdet“, hieß es in einer Mitteilung. Eine unrechtmäßige Beantragung von Briefwahlunterlagen sei mit fehlerhaften Wahlbenachrichtigungen nicht möglich, Mehrfachwahlen seien durch zahlreiche gesetzliche Kontrollmechanismen ausgeschlossen: „Eine Wahlanfechtung ist durch die fehlerhafte Wahlbenachrichtigung ebenfalls nicht möglich, da diese einen rein informativen Charakter haben.“ Um welche gesetzlichen Kontrollmechanismen es sich handele und wie sie konkret greifen, teilte die Stadtverwaltung allerdings nicht mit.

Am Wahltag selbst sorgten Wartezeiten von über einer Stunde in mehreren Lokalen für Unmut. „Viele sind ohne zu wählen nach Hause gegangen“, zitierte das Göttinger Tageblatt am Dienstag einen Leser. Als Begründung nannte die Stadt die bis zu vier Wahlzettel, die Räumlichkeiten, die aufgrund der Pandemie nicht als Wahllokale zur Verfügung gestanden hätten und überhaupt Corona. Nicht alle konnte das überzeugen. „Potzblitz! Coronaregeln. Welch Überraschung“, schrieb eine Leserin in der selben Lokalzeitung. Und der Bürgermeister des Ortsteils Elliehausen, Michael Voß, lässt verlauten: „Aufarbeitung tut Not.“

Freuen können sich die Göttinger Grünen übrigens trotz alledem. Bei den Wahlen zum Göttinger Stadtrat wurden sie mit mehr als 30 Prozent erstmals stärkste Fraktion. Vor SPD, CDU und der Wählergemeinschaft Göttinger Linke.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.