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Obduktionsbericht aus LörrachAmokläuferin erstickte ihren Sohn

Laut Obduktionsbericht hat die Amokläuferin von Lörrach ihren Sohn erst betäubt und dann erstickt. Sie selbst starb durch 17 Polizeikugeln, ihr Mann durch zwei von ihr.

Warum? Eine Frage, die sich nicht nur die Staatsanwaltschaft stellt. Bild: dapd

STUTTGART taz | Die Amokläuferin von Lörrach hat ihren Sohn bewusstlos geschlagen und anschließend erstickt. Dies ergab der Obduktionsbericht, dessen Ergebnisse die Polizei am Dienstag mitteilte.

"Bei dem Kind wurde eine massive Gewalteinwirkung gegen den Kopf festgestellt, die auf Schläge mit einem nicht näher bekannten Gegenstand zurückzuführen ist", gibt die Polizei an. Infolgedessen habe das fünfjährige Kind das Bewusstsein verloren und sei anschließend mit einer Plastiktüte erstickt worden. Der getrennt lebende Ehemann der 41-jährigen Rechtsanwältin sei durch zwei Schüsse in Kopf und Hals getötet worden.

Am Sonntag hatte der Amoklauf im baden-württembergischen Lörrach vier Todesopfer gefordert. Nachdem die Frau ihren Mann und das Kind in ihrer Wohnung und Kanzlei getötet und das Haus in Brand gesetzt hatte, lief sie in das nahe gelegene Sankt Elisabethen-Krankenhaus. Auf dem Weg schoss die Sportschützin, die legal vier Waffen besaß, zwei Passanten an. In der Klinik tötete sie einen Pfleger, der laut Obduktionsbericht drei Schussverletzungen sowie mehrfache Stichverletzungen erlitt. Die Frau wurde schließlich von der Polizei erschossen.

Offenbar lösten Beziehungsprobleme die Tat aus. Seit Juni lebten die Frau und ihr Mann getrennt. Die Frau hatte 2004 eine Fehlgeburt im Sankt Elisabethen-Krankenhaus.

Die Klinikleitung hatte am Montagabend erklärt, der Pfleger sei bei der Fehlgeburt nicht dabei gewesen. Demnach gibt es weiterhin keine Verbindung zwischen ihm und der Amokläuferin. Auch sei unklar, ob sie gezielt in den ersten Stock in die gynäkologische Abteilung lief. Es sei das einzige Treppenhaus, das vom Haupteingang nach oben führe, sagte Geschäftsführer Helmut Schillinger.

Erneut hat der Amoklauf die Diskussion über das Waffenrecht angeheizt. Die Grünen fordern, tödliche Waffen müssten für den Schießsport endlich verboten werden. "Tödliche Schusswaffen werden zu Hause gelagert und sind so ein permanentes Risiko, das Menschenleben gefährdet", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth der taz.

Die Fraktionschefin der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, lehnt indes eine Verschärfung ab und fordert stattdessen striktere Kontrollen. "Die Aufbewahrungsvorschriften müssen stärker überprüft werden", sagte sie am Dienstag in Stuttgart. Das Bundesinnenministerium wollte sich am Dienstag auf taz-Anfrage politisch nicht zu der Debatte äußern. Ein Sprecher verwies darauf, dass im vergangenen Jahr das verschärfte Waffenrecht in Kraft getreten sei.

In Reaktion auf den Amoklauf von Winnenden hatte die damalige Bundesregierung aus SPD und Union unter anderem beschlossen, dass Behörden nun ohne Ankündigung kontrollieren können, ob Besitzer ihre Waffen vorschriftsgemäß verschlossen halten. Munition und Waffen dürfen nicht zusammen aufbewahrt werden. Auch dürfen junge Menschen erst ab 18 und nicht mehr ab 14 Jahren mit Großkaliberwaffen schießen.

Auch beim zweiten Verhandlungstag des Prozesses gegen den Vater des Amokläufers von Winnenden war das Waffenrecht ein Thema. Nebenkläger Hardy Schober, der Vater eines Opfers, forderte am Dienstag am Rande des Prozesses, Schützenvereine sollten ihre Waffen zentral wegschließen.

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13 Kommentare

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  • B
    bobinbrooks

    Nicht dass ich jetzt bestreiten möchte, dass die Frau fähig war zu diesen Taten, oder Frauen grundsätzlich keine Gewalt ausüben könnten (i don't like mondays) aber dieses Szenario hier finde ich sehr merkwürdig. Es heißt doch immer, Beziehungstaten seine Taten aus Liebe von Menschen begangen, die keinen anderen Ausweg mehr wüßten - ob nun männlich oder weiblich.

     

    Wenn die Täterin schon ihren Ex vor dem noch lebenden Kind erschossen hat - warum hat sie ihrem fünfjährigen Sohn dann danach erst mit einer stumpfen Waffe aufs Hirn gesemmelt und ihn dann qualvoll mit einer Tüte erstickt? Warum hat sie das Kind nicht zuerst erschossen? Immerhin vergehen 10 - 15 Minuten bis zum Erstickungstod?

     

    Erschießen wäre wesentlich "liebevoller" und humaner gewesen. Warum tötet sie den Mann schnell und schmerzlos und läßt das Kind extra lange leiden? Sie hatte immerhin 300 Stück Munition bei sich, daran kann es nicht gelegen haben. Dieses Erklärungsmuster läßt für mich einfach Fragen offen.

     

    Wenn sie ihr Kind erschlagen und erstickt hat, was ja doch einige Zeit in Anspruch genommen haben muss - warum hat der Exmann nicht eingegriffen?

     

    Ich finde dies Rekonstruktion des Tathergangs sehr, sehr befremdlich.

     

    Und, tut mir leid, ich möchte dazu mehr, nicht weniger Einzelheiten.

  • TM
    Thilo Mansfeld

    Weshalb steht in diesem Artikel der Satz

     

    "die Sportschützin, die legal vier Waffen besaß"?

     

    Liebe TAZ, bitte recherchiert korrekt, bevor ihr so etwas schreibt.

     

    Nach WaffG §4 Abs. 4 muss die zuständige Behörde alle 3 Jahre das Bedürfnis nach einer Sportwaffe, wie es in WaffG §8 definiert ist, kontrollieren.

     

    Frau R. hatte durch ihren Austritt aus dem Schützenverein kein Bedürfnis mehr.

     

    Somit waren ihre Waffen nicht legal, sondern ILLEGAL besessen.

    Nur hat das die Behörde nicht geprüft, obwohl sie es nach WaffG §4 Abs. 4 hätte tun müssen!

     

    Was nutzen die schönsten Gesetze, wenn sie nicht umgesetzt werden?

     

     

    Auch und gerade bei der TAZ sollte man Qualitätsjournalismus anstelle Unwissenheit erwarten können.

    Hier werden, resultierend daraus, Unwahrheiten verbreitet.

    Bemerkt das sonst niemand oder ist es allen egal?

     

    Danke für Ihre Aufmerksamkeit

  • L
    Lauut

    Manche Details zu erwähnen tut Not. 17 Schüsse, von für solche Zwecke Ausgebildeten Kräften, ist doch sadistisch!

    Und woher bekommt man eigentlich diese Nitrokugeln?!

    Waffen jeglicher Art müssen weg! Zu viele Menschen verletzen sich und andere damit.

  • H
    hto

    "Die Amokläuferin von Lörrach hat ihren Sohn bewusstlos geschlagen und anschließend erstickt."

     

    "Aha, ... sprach zuerst mit den Toten?", oder wieso kann das nicht der Vater getan haben, und daraufhin erst hat die Mutter durchgedreht?

  • K
    Kay

    Wenn jetzt das Waffenverbot neu diskutiert wird, sollten wir auch über ein Plastiktütenverbot diskutieren. Ich weiß, das ist böse Satire aber die Frage stelle ich mir bei diesen Diskussionen ums Waffengesetz jedes mal.

     

    Macht die Waffe den Mörder? Klar, eine Pistole macht es sicherlich leichter andere Menschen zu töten aber kann ein Auto nicht auch zu einer Waffe gemacht werden um viele Menschen zu töten?

     

    Kay

  • D
    durchfluss

    Ich schätze mal die "stärkere Überprüfung" die von der FDP gefordert wird hätte das nicht verhindert. Warum dürften Sportschützen sowohl ihr Mordwerkzeuge als AUCH die Munition zuhause lagern wo sie doch beides nur im Schiesstand benutzen dürfen.

    Der Minimalkompromiss muss lauten: Munition darf nur noch im Schiessverein gelagert werden. Dann ist zumindest beim Beziehungstreit der in eine Affekthandlung mündet keine Munition zuhause.

  • T
    tystie

    Wie´s oben steht und unten rauskommt:

    Überschrift:

    "Laut Obduktionsbericht hat die Amokläuferin von Lörrach ihren Sohn erst betäubt [!] und dann erstickt."

    Artikel:

    ""Bei dem Kind wurde eine massive Gewalteinwirkung gegen den Kopf festgestellt, die auf Schläge mit einem nicht näher bekannten Gegenstand zurückzuführen ist", gibt die Polizei an."

    Fazit:

    Oben versuchte die Verfasserin noch die 'politisch korrekte' Version, wie sie den taz-LeserInnen entgegenkommt, die aus Gründen der Pietät "keine Details" veröffentlicht sehen wollen.

    Sehen wir es einmal ganz nüchtern: Eine getrennte Mutter ermordet auf brutale Weise ihr fünfjähriges Kind, den Vater und einen offenbar völlig vor die Flinte der 'Sportschützin' geratenen Krankenpfleger.

    Da klafft für manche eine peinliche Lücke im Welterklärungsmodell auf. Aber wenn wir uns von dem scheinbar unerlässlichen Denktotalitarismus über 'die Männer', 'die Frauen' usw. für einen Moment verabschieden, dann fällt auf, dass einzelne Menschen wie einzelne Menschen fühlen und handeln. Und es würde auf jeden Fall weniger Opfer fordern, wenn den einschlägigen AmokläuferInnen KEINE Schusswaffen und Schulung in derem Gebrauch zur Verfügung stünden. Zumindest das lässt sich verallgemeinern.

  • V
    vic

    Eigentlich wollte ich diesen Sensationsbericht gar nicht kommentieren.

    Sie schreiben in der Überschrift jedoch: Erst betäubt, dann erstickt.

    Gleich darunter schreiben Sie: Erst bewusstlos geschlagen, dann erstickt.

    Bei Betäubung denke ich an andere Mittel.

    Ansonsten will ich den exakten Ablauf gar nicht wissen.

    Was wir jedoch zur Kenntnis nehmen sollten ist,

    dass mal wieder eine sogenannte Sportwaffe zur Mordwaffe wurde.

  • C
    Corinna

    Danke, Uls, für deinen Kommentar.

    Ich frage mich auch, weshalb die Leute wissen müssen, in welchem Krankenhaus die Frau eine Fehlgeburt hatte! Undsoweiter… schwach!! Schade…

  • U
    ute

    Uls - du sprichst mir aus der Seele !

     

    Wir sind scheinbar so gierig nach noch mehr Details

    - je schlimmer und spektakulärer umso besser - das es

    schon fast nicht mehr zu ertragen ist.

  • IL
    Ich lach mich tot...

    Wieso dürfen Leute wie die Frau von der FDP eigentlich überhaupt noch irgendwelche Aussagen in der Öffentlichkeit tätigen? Sowas ist doch echt Imageschädigend für die gesamte Partei...

     

    Vgl.:

    Lösung a) Wir verbieten den Besitz und die Aufbewahrung von scharfen Waffen

    Lösung b) Wir verschärfen die Reglementierung und machen unangemeldete Kontrollen ob die Leute sich auch daran halten.

     

    [ironie] Wenn ich also Lösung B nehme bewahre ich meine Pistole in nem abgeschlossenen Schrank auf, und die munition 2 Etagen tiefer im Keller - und sollte ich dann Amok laufen wollen hält mich das natürlich davon ab weil ich ja erst bis in den Keller gehen müsste [/ironie]

     

    Steh ich endgültig auf dem Schlauch oder wird die FDP immer mehr zu dem was sie ursprünglich mal war: eine Spaßpartei ohne Sinn und Mitspracherecht.

  • W
    Wow

    17 Kugeln ja? Nachdem sie einen Polzist angeschossen hat?

     

    Klingt nach verhältnismäßigen Schusswaffeneinsatz der Einsatzkräfte, NOT.

  • U
    Uls

    Ich frage mich, ob man wirklich die Details so genau wissen muss. 17 Polizeikugeln, Nitroverdünnung... Reichen nicht die Infos, dass sie durch mehrere Kugeln starb und durch chemische Mittel der Brand beschleunigt wurde? Muss es immer bis ins letzte Detail sein?

     

    Ein großen Dank an dieser Stelle an Frau Michel für ihre gestrige Berichterstattung ohne diese Infos bis ins letzte Detail!