Kriminologin über amoklaufende Frauen: "Fast alle lösen ihre Konflikte friedlich"
Manche Mörderinnen nehmen ihre Kinder mit in den Tod, um ihnen vermeintlich Leid zu ersparen, sagt Kriminologin Justine Glaz-Ocik.
taz: Frau Glaz-Ocik, die Amokläuferin von Lörrach hat zuerst ihren Mann erschossen und danach ihren Sohn bewusstlos geschlagen, um ihn dann mit einer Plastiktüte zu ersticken. Warum bringt eine Mutter ihr Kind um?
Justine Glaz-Ocik: So merkwürdig es klingt, aber ein Teil der Täterinnen tut das aus Liebe. Einige der Mütter, die sich das Leben nehmen, fragen sich vorher: Was passiert mit meinem Kind, wenn ich nicht mehr da bin?
Ist das nicht eine narzisstische Haltung?
Das sehen wir Außenstehende so. Aber diese Täterinnen ticken anders. Sie wollen ihrem Kind Leid ersparen, jetzt und in der Zukunft. Insofern nehmen sie es lieber mit in den Tod. Fachleute nennen das "erweiterter Suizid".
Auch wenn es um Rache geht?
Es gibt natürlich auch Frauen, die wollen sich vor allem am Expartner oder anderen ihnen nahe stehenden Personen rächen. Da geht es in der Tat weniger um Liebe. Und es gibt Mütter, die empfinden ihr Kind als Störfaktor.
Die Täterin in Lörrach ist brutal vorgegangen. Wie passt das mit dem Mythos der friedfertigen Frau zusammen?
Weibliches Verhalten wird in der Regel mit Liebe und Wärme assoziiert, männliches eher mit Stärke und Verteidigung. Deswegen wirken diese Taten auch so verstörend auf uns. Denn wenn sich Frauen dazu entschlossen haben zu töten, können sie das mit großer Gewalt tun.
Trotzdem greifen Frauen öfter als Männer zum Gift.
Sie schlucken auch häufiger Medikamente, zum Beispiel Schlaftabletten.
Die meisten Frauen haben weniger Kraft als Männer.
Um jemanden umzubringen, beispielsweise durch Erwürgen, bedarf es viel der eigenen Körperkraft und Entschlossenheit. Frauen erdrosseln oder ersticken ihre Kinder, sie benutzen aber auch Waffen wie Messer oder Schusswaffen.
Schlummert in jeder Frau eine Mörderin?
Nein, das ist definitiv nicht so. Um so eine schwere Tat wie in Lörrach zu begehen, muss im sozialen Umfeld der Täterin sehr viel passiert sein. Fast alle Frauen lösen Konflikte friedlich. Das zeigt allein die Kriminalstatistik: Nur 4 Prozent der Amokläufer sind weiblich, die meisten Mörder sind männlich.
Leser*innenkommentare
Mutterliebe
Gast
Waffen wie Messer oder Schusswaffen. "
aus liebe, natürlich.
magda goebbels hat ihre kinder sicher auch aus liebe umgebracht.
die interviewte kriminalistin präsentiert uns ein frauenbild, das diese -
mal wieder - aus der pflicht für die übernahme von verantwortung für ihr
handeln nimmt (so als seien sie kleine mädchen). gleichzeitig implizieren
ihre äußerungen einen heiligen muttermythos: die mutter, die alles gibt
(geburt/leben/pflege) und alles nimmt (verschlingend (alles umfassende
mutterliebe) und zerstörerisch (alles leben wird im tod wieder zu mutter
erde).
liebe Justine Glaz-Ocik, bitte beschäftigen sie sich mal mit dem
(historischen) bild der frau vor dem hintergrund des jahrtausendealten
patriarchats. und dann bewerten sie bitte neu. denn ihr jetztiges bild der
frau ist bloß ein vermeintlich wohlmeinendes. im grunde sagen sie das, was
sowieso und schon immer galt: die frau ist böse, selbst wenn sie es gut
meint. sie kann gar nicht anders. ihre liebe kann mörderisch sein.
liebe aber, ist verdammt nochmal was anderes! auch die einer mutter!
tystie
Gast
Zitat aus dem SPIEGEL:
"Ist der Amoklauf von Sabine R. ein Ausnahmefall? Forscher und Polizei verzeichnen einen Anstieg der Zahl weiblicher Übergriffe - auch auf den eigenen Partner. Doch in der Öffentlichkeit gilt Frauengewalt als Tabuthema."
Scheinbar auch bei der taz. Beeindruckend, wie schnell ihr das Thema ohne Angabe von Kommentaren beerdigt habt. Trittins Torte ist sicher weltbewegender...
Dr.Wolf
Gast
Was haben wir hier an neuer Information bekommen ?
Nichts.ein paar Gemeinplätze und das ewige Seiltanzen - egal ob Psychologie oder Kriminologie.
T.V.
Gast
Männer sind demnach alle potenzielle Mörder?
Der Text klingt einfach zu pauschal. Nicht jeder Mann ist männlich, nicht jede Frau weiblich. Wenn ich Schwarz und Weiß vorheucheln will, schau ich mir Mario Barth an und frag nicht eine Kriminologin.
witzig
Gast
Zitat "Das zeigt allein die Kriminalstatistik: Nur 4 Prozent der Amokläufer sind weiblich, die meisten Mörder sind männlich."
Ich versteh den Zusammenhang nicht. Nicht alle Personen die morden sind Amoklaufende.
Wenn dann, "nur 4% der Amokläufer sind weiblich, der Rest männlich.
Die Aussage "die meisten Mörder sind männlich" empfinde ich sexistisch.
Mir fehlen in dem Interview auch sämtliche NoGender Wörter. Amokläufer/inn. Mörder,Mörderinn usw..
Immerhin ist dies die Taz.
tystie
Gast
"Warum bringt eine Mutter ihr Kind um?
Justine Glaz-Ocik: So merkwürdig es klingt, aber ein Teil der Täterinnen tut das aus Liebe [!]. Einige der Mütter, die sich das Leben nehmen, fragen sich vorher: Was passiert mit meinem Kind, wenn ich nicht mehr da bin?"
Antwort: Das Kind entgleitet ihrer totalen Kontrolle, bekanntermaßen ein Motiv, das Mütter völlig aus der Fassung bringen kann.
Danke auch für diese moderne Definition von LIEBE!
Es kingt nicht nur merkwürdig, sondern für mich Ekel erregend. Versucht einfach, der Realität ins Gesicht zu blicken!
möhre
Gast
so viel "männer sind so und frauen so..:" hab ich in der taz ja schon lange nicht mehr auf einem haufen gesehen...
ich schüttel mein köpchen und ziehe weiter dahin wo sexismus nicht schon alltag ist.
ich in weg, ihr könnt jetzt schreien!
Richardt P.
Gast
Eine sehr interessante Sicht der Dinge.
Aus reinem Unverständnis heraus fragte ich gestern meine Frau, wieso Frau R. ihr Kind umgebracht habe. Es war für mich als Mann weder nachzuvollziehen noch zu verstehen.
Sie hat mir das anschließend mit fast denselben Worten sinngemäß entsprechend erklärt. So sehr es mich entsetzt, so wahr wird es sein. Nur fRauen können verstehen, wie Frauen in Extremsituationen "ticken". Wir Männer sind dazu unfähig. Einmal ganz verallgemeinernd von mir auf andere geschlossen (ohne Gewähr).
Danke für den Artikel.
bernard
Gast
wieder ein ehrenmord - wir brauchen eine tagesschau spezialsendung, dringend