Obdachlosigkeit in Grünanlage: Taskforce weg, Problem bleibt
Der Abschlussbericht zu Obdachlosigkeit im Tiergarten fällt zwar positiv aus, doch der Staatssekretär warnt vor Illusionen
Es klingt erstmal gut, was im Abschlussbericht über die „Taskforce Tiergarten“ zu Obdachlosigkeit steht: Von einer „deutlichen Entspannung“ ist die Rede und dass sich die Problematik nicht in andere Bezirke verlagert habe. Das sei aber nicht die ganze Wahrheit, war am Mittwoch von Sozial-Staatssekretär Alexander Fischer (Linke) zu hören: Wenn es im April wieder wärmer wird und die Notunterkünfte schließen, werde das Problem nicht gelöst sein. „Das ist eine Illusion, der man sich in Berlin nie hingeben darf“, so Fischer im Bezirke-Ausschuss des Abgeordnetenhauses, „Berlin hat eine lange Tradition als Fluchtpunkt auch für prekäre Migration“.
Die jetzt aufgelöste „Taskforce“ – im Kern ein mehrfaches Treffen von Vertretern von Senatsverwaltungen, Bezirken, der Polizei und der Caritas – war im Oktober nach Berichten über Zeltlager von Obdachlosen im Tiergarten entstanden. Der grüne Bürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel, sah unter den Obdachlosen 50 „besonders aggressive“ Menschen und sprach davon, dass sie notfalls abgeschoben werden sollten. Vom „grünen Tabubrecher“ war die Rede, von Dassel musste viel Kritik aus den eigenen Reihen einstecken. Im Fokus stand der Tiergarten zudem wegen des Mords an einer Frau in der Nähe eines beliebten Biergartens einige Wochen zuvor (siehe Kasten). Fortan gab es verstärkte Streifen von Polizei und Ordnungsamt, mehr Sozialarbeiter waren unterwegs.
Staatssekretär Fischer aus der von der Linkspartei geführten Senatsverwaltung für Soziales lobte am Mittwoch von Dassels Bezirk: Der habe hervorragend kooperiert. Ansatz der Sozialverwaltung ist es laut Fischer, eng mit den Ordnungsbehörden zu kooperieren. Darauf soll sich die Arbeit aber nicht beschränken: „Insgesamt wird festgestellt, dass Ordnungsmaßnahmen allein kein Ansatzpunkt für die dauerhafte Lösung der Problematik der Obdachlosigkeit in Grünflächen sind“, heißt es etwas sperrig in dem von Senatorin Elke Breitenbach unterzeichneten Bericht.
Mit dem CDU-Abgeordneten Danny Freymark stimmte Fischer im Ausschuss darin überein, dass die Obdachlosen engmaschiger zu betreuen seien. Das soll vor allem in den Übernachtungsstellen passieren. „Ich kann die Menschen nur für eine begrenzte Zeit unterbringen, aber in dieser Zeit muss eine intensive Beratung erfolgen“, sagte Fischer. Die „Kältehilfe qualifizieren“, nennt er diesen Weg. „Das kostet nicht zwangsläufig mehr Geld, sondern verlangt Kooperation.“
90 Prozent der im Tiergarten überprüften Obdachlosen kam nach Zahlen des Ordnungsamts Mitte aus Polen. Dass eine polnische Nicht-Regierungsorganisation deshalb Sozialarbeiter schicken wollte, erfuhr die Senatsverwaltung laut Fischer nur über die Medien. Über die Botschaft sei man in Kontakt getreten. Eine inzwischen eingerichtete Arbeitsgruppe soll auch nach dem Ende der „Taskforce Tiergarten“ am Thema obdachloser EU-Ausländer bleiben und im Herbst Ergebnisse vorstellen.
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