Obdachlosigkeit in Berlin: Angebot für drei Safe Places

Der Eigentümer von Plätzen mit illegalen Wohnsiedlungen wehrt sich gegen Vorwürfe. Er bietet dem Bezirk die Grundstücke nun für 10 Jahre kostenlos an.

Vier Betten in einer Notübernachtung

Eine Notübernachtung in Berlin. Manche Menschen wohnen lieber in Wohnwägen oder Containern als so Foto: dpa

BERLIN taz | Ulrich Ziegler hat es satt. Nach jahrelangem Ärger mit dem Bezirk Treptow-Köpenick um die illegalen Wohnwagensiedlungen auf seinen Grundstücken Moosstraße 56–58 und Adlergestell 552–552A hat er diesem nun ein Angebot gemacht. Der Bezirk könne die beiden ehemaligen Bahn-Flächen – und dazu noch das leer stehende Grundstück Puschkinallee 42, schräg gegenüber der Eierschale – unentgeltlich für 10 Jahre als „Safe Places“ nutzen. Einzige Bedingung: Die Be­woh­ne­r*in­nen müssen bleiben dürfen, sagte Ziegler am Montag zur taz. „Da kann niemand sagen, das sei von Profitgier getrieben“, meint er. Die Offerte, die Ziegler am Freitag Bezirksstadträtin Claudia Leistner (Grüne) gemacht hat, liegt der taz als E-Mail vor. Leistner bestätigte den Eingang, konnte sich aber noch nicht dazu äußern. Man werde „amtsintern“ in den nächsten Tagen darüber beraten. „Im Vordergrund steht ganz klar das Wohl der Menschen“, sagte sie.

Auf den Grundstücken an Moosstraße und Adlergestell leben seit Jahren illegal Menschen in Wohnwagen und alten Gebäuden – laut Ziegler sind es rund 300, laut Bezirk 155, darunter auch Kinder und Jugendliche. Nach eigener Aussage hat Ziegler vom Bezirk über die Jahre rund 450.000 Euro Bußgelder „kassiert“, weil er die Grundstücke nicht räumt. „Ich kann das nicht und möchte das auch nicht, die Leute wissen ja nicht, wohin“, sagte er der taz. Zudem sei etwa ein Drittel der Menschen Sinti und Roma, „die bereits häufig Verfolgungen und Vertreibungen ausgesetzt gewesen sind“, schreibt er in dem Brief an Leistner. Als er die Grundstücke 2008 und 2011 gekauft habe, habe es schon Be­woh­ne­r*in­nen gegeben. Knapp ein Viertel von ihnen zahle ihm keine Miete, weil sie nichts hätten.

Nach Zieglers Darstellung sind die beiden Siedlungen „alternativ-soziale Wohnprojekte“, in denen die Bewohnerinnen einander beistehen. Der Bezirk dagegen sprach vorige Woche gegenüber der taz vom „kriminellen Gebaren des Grundstückseigentümers, dessen Geschäftsmodell auf der Ausnutzung der Not anderer Menschen beruht“. Gerichtlich ist die Sache geklärt: Der Bezirk habe die Räumungen zurecht angeordnet, so das Verwaltungsgericht – für die Siedlungen gibt es keine Baugenehmigung, Anforderungen an Brandschutz und Rettungswege sind ebenfalls nicht erfüllt.

Stimmt, sagt Ziegler. Er habe die Grundstücke seinerzeit günstig gekauft und entwickeln wollen, aber dies sei schwierig, weil sie baurechtlichen Einschränkungen unterlägen. Und aktuell sei die Lage auf dem Immobilienmarkt so ungünstig, dass er lieber 10 Jahre abwarten wolle. „In der Zwischenzeit kann der Bezirk die Grundstücke nutzen und dringend benötigte Safe Places für Obdachlose so einrichten, wie er das für gut befindet“, sagt er. Einzig die Betriebskosten müsse der Bezirk übernehmen und die Be­woh­ne­r*in­nen nicht vertreiben, all dies würde er gerne vertraglich festlegen, „denn das Vertrauen ist hin auf beiden Seiten“.

Elend oder Selbstbestimmtheit?

Vorige Woche hatte sich der AK Wohnungsnot in den Streit eingeschaltet. Der Arbeitskreis hatte vor der drohenden Obdachlosigkeit der Be­woh­ne­r*in­nen gewarnt und eine Debatte über „Safe Places“ angeregt. Es gebe gute Gründe, warum manche Menschen ein Leben in Wohnwagen, wo man leben könne wie man will, den Obdachlosenheimen der Bezirke vorzögen. Der Bezirk nannte die Zustände in den Camps dagegen menschenunwürdig, von Ratten und Vermüllung war die Rede sowie Beschwerden von Anwohnenden.

Ziegler gibt zu: „Das sieht teilweise schon schlimm aus für Menschen, die Elend nicht gewohnt sind“ – teilweise hätten seine Be­woh­ne­r*in­nen auch Drogenprobleme. „Aber irgendwo müssen diese Menschen ja auch leben“, findet er. Man könne sie nicht einfach „wegräumen“, weil einen der Anblick von Elend störe. Dieses Motiv sieht er auch bei seinem 4. Grundstück im Hönower Wiesenweg in Lichtenberg im Vordergrund. Auch dort, er habe es 2007 gekauft, lebten schon seit Jahren Menschen in Wohnwagen. „Das hat niemanden gestört, bis gegenüber teure Wohnungen gebaut wurden.“ Seither gebe es Beschwerden.

In Treptow-Köpenick fingen die Probleme laut Ziegler mit einer Anfrage des Bezirksverordneten Andrée Bügel an, der damals noch zur AfD-Fraktion gehörte. Bügel sei sein Nachbar in der Moosstraße, er habe den Bezirk wegen der Sache „stark unter Druck gesetzt“, sagt Ziegler.

Nach all dem Ärger wolle er sich nun aus Berlin erst einmal zurückziehen, sagt Ziegler. „Ich verdiene ohnehin nicht das mit den Grundstücken, was behauptet wird.“ Er hoffe sehr, dass der Bezirk sein Angebot annehme, damit sei allen geholfen. „Wenn der Bezirk darauf nicht eingeht und lieber räumt, ist klar, ihm geht es gar nicht um die Menschen.“

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