Obdachlosigkeit in Berlin: Kaltes Brötchen ist keine Alternative

Stammgäste der Wohnungslosentagesstätte „Warmer Otto“ wehren sich gegen die Schließung. Sie glauben, die Stadtmission könnte diese weiter betreiben.

Ein Teller mit Nudeln und Soße

Vorbei: Das warme Mittagessen im „Warmen Otto“ im Moabit Foto: epd/imago

BERLIN taz | Die Stammgäste vom Warmen Otto geben nicht auf. Aus Verzweifelung, dass die Moabiter Tagesstätte für Wohnungslose vorigen Freitag kurzfristig geschlossen wurde, besetzten zehn von ihnen an diesem Tag für ein paar Stunden ihr „Wohnzimmer“. Die zuständige Bereichsleiterin der Stadtmission, Ellen Eidt, kam extra vorbei, um zu erklären, warum man sich zu diesem Schritt gezwungen sehe – und um zu versprechen vorerst wenigstens einen „eingeschränkten Betrieb“ aufrechtzuerhalten.

Ein kleiner Erfolg für die renitenten BesucherInnen: Man kann (stundenweise) weiter zum Wäschewaschen kommen, es werden kalte Mahlzeiten ausgeteilt und es gibt Termine zur Beratung – unter der Bedingung, dass der Ratsuchende vorher einen Coronatest macht.

Doch den Gästen reicht das nicht. Der Otto, wie sie ihn kannten, war ja viel mehr: Treffpunkt und Aufwärmstation mit warmem Mittagessen, Kleiderkammer, Badezimmer, Ratgeber. Auch leuchtet ihnen so gar nicht ein, was die Stadtmission zur Begründung der Schließung erklärt hatte: nämlich im Kern, dass die Räume „keine zukunftsfähige Basis darstellen“ und sie keine Mitarbeiterinnen mehr finde, die bereit seien, in diesen engen und alten Räumen unter Coronabedingungen zu arbeiten.

Also schrieb Kai Oeynhausen, einer der Stammgäste, im Namen seiner – nach seiner Schätzung – rund 60 LeidengenossInnen diese Woche einen Brief an den Sozialstadtrat von Mitte, Carsten Spallek (CDU). Darin bitten sie ihn, „den uneingeschränkten Weiterbetrieb des Warmen Otto umgehend zu ermöglichen“. Wenn die Stadtmission dies nicht machen wolle, möge Spallek den Treff doch bitte einem anderen Träger übergeben. Weiter erklärt Oeynhausen, warum er der Stadtmission nicht glaube: Ihm hätten ein paar Mitarbeiter erzählt, sie würden durchaus im Otto weiterarbeiten wollen.

„Alternativen angeboten“

Ellen Eidt von der Stadtmission allerdings bleibt auf taz-Nachfrage dabei: Auch aus Personalgründen sei es unmöglich, den Warmen Otto in der bisherigen Form weiterzuführen. „Die Gäste bekommen sicher nicht alles mit, was unsere Mitarbeitenden angeht. Und wir können Personalfragen auch nicht im Detail öffentlich erörtern.“

Auch von Spallek dürften die Otto-Gäste wenig zu erwarten haben. In seiner Pressemeldung zum Thema hat er die Sicht der Stadtmission offenbar ungeprüft übernommen. „Den Menschen, die regelmäßig den Warmen Otto als Tagestreff nutzen, werden Alternativen angeboten“, heißt es etwa.

Eine belegtes Brötchen, an der Tür in die Hand gedrückt als „Alternative“ für eine warme Mahlzeit am Tisch? Daraus spricht entweder eine gewisse Lebensferne – oder Gleichgültigkeit.

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